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Klippen, Kurven, Fjorde, Felsen

Irland/Nordirland-Rundreise: spektakuläre Natur, keltisches Leben,

die schönste Panoramastraße Europas – und der weiter schwelende Konflikt in Belfast

Klippen und Felsen an der Küstenstraße Irlands

 

Von Fred Hafner

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Belfast/Dublin. Der Ort Stranraer an der Westküste der britischen Insel überrascht. Er liegt am Ende des Loch Ryan, an einem etwa fünf Kilometer breiten und zwölf Kilometer langen Fjord. Stranraer, schottisch-gälisch „An t-Sròn Reamhar“, ist eine Stadt in Westschottland. Sie hat immerhin mehr als 10.000 Einwohner, wirkt auf uns aber viel kleiner. Doch Stranraer und der Loch Ryan sind bedeutsam: Hier starten die wichtigen Fährverbindungen nach Nordirland. Die Schnellfähren nach Belfast benötigen für eine Überfahrt nur 2 Stunden und 15 Minuten.

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Von Newcastle, wo wir am Morgen mit der Fähre aus Amsterdam eintrafen, sind es bis Stranraer nur vier Stunden Autofahrt. Das bedeutet, wir erreichen die Fähre um 15.30 Uhr und werden bereits am frühen Abend in Belfast ankommen. Jetzt um die späte Mittagszeit geht es ruhig zu am Fährhafen. Die Schnellfähre nach Belfast ist nur schwach belegt.

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Bereits vor einigen Jahren hat die Stena Line einen neuen Hafen bei Cairnryan, weiter nördlich am Fjord, gebaut. Grund: Die Schnellfähren verursachten wegen ihrer zu hohen Geschwindigkeiten starke Wellen im Fjord. Deshalb mussten die Schiffe über zehn Kilometer langsamer fahren. Das wiederum bremste den Fährverkehr aus. Außerhalb der Bucht, also nördlich des Ortes Cairnryan, können die Boote ihre Geschwindigkeit ausfahren und so ihr Ziel wesentlich schneller erreichen. Stranraer hat ebenfalls eine Fährschiffverbindung mit Larne, nördlich von Belfast.

Fährschiff von Stranraer nach Belfast

Schnelle Verbindung von Stranraer nach Belfast in zwei Stunden, 15 Minuten. Immer dabei: Kostenloses WLAN an Bord. Der Katamaran nimmt auch Pkw mit

Die Schnellfähre überrascht uns ebenso, auch im Vergleich zur Nachtfähre von Amsterdam nach Newscastle. Das Schiff ist hochmodern, erst wenige Jahre in Dienst. WLAN gibt es kostenfrei und während der gesamten Überfahrt – auch auf hoher See! Trotz der hohen Reisegeschwindigkeit liegt die Fähre ruhig im Wasser. Oder sollten wir besser sagen: schwebt ruhig über dem Wasser?

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Nach knapp zwei Stunden sehen wir schon von weitem Belfasts bis heute beeindruckendes Werftgelände. Belfast ist die Hauptstadt von Nordirland. Hier wurde die legendäre RMS Titanic gebaut. Der damals „größte und schnellste“ Ozeandampfer der Welt stieß bekanntlich 1912 mit einem Eisberg zusammenstieß und sank. Die Geschichte wird im Titanic Quarter in der renovierten Werft erzählt. Dazu gehören auch der aluminiumverkleidete Museumsbau Titanic Belfast, der an einen Schiffsrumpf erinnert. Wo einst dieser Dampfer gebaut wurde, finden heute Open-Air-Konzerte statt.

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Belfast ist eine rauhe Stadt, aber mit viel Charme. Rund 350.000 Einwohner leben hier, und sie sind mitnichten verschlossen oder unfreundlich. Wer freundlich fragt, bekommt freundlich Auskunft.

Belfast ist eine junge Stadt. Die Queens Uni hat knapp 30.000 Studenten, mithin ein Zehntel der gesamten Bevölkerung. Die Innenstadt ist rasch abgelaufen: Das Rathaus am zentralen Donegall Square, die Kathedrale St. Annes. Etwas weiter das Schloss Cavehill aus dem

12. Jahrhundert. Durchaus beeindruckend. Sehr schön auch das Flussufer, das komplett neu entstanden ist: mit Hotels und dem Kongresszentrum Waterfront Hall. 

Problemviertel im Westen von Belfast. Straßen mit großen Toren gesichert

Die Straßen rund um den konfliktträchtigen Westen Belfasts sind komplett umzäunt. Die Tore lassen sich jederzeit schließen (Foto links)

Wer in die Wohnviertel reinfährt, sieht propagandistische, teils gewaltbereite Parolen und vergitterte Fenster (Fotos unten)

Militante Parolen direkt an der  Straße im Westen von Belfast
Militante Parolen direkt an der  Straße im Westen von Belfast
Grifitti mit militanter Aussage. Mann mit Gewehr zielt auf andere Menschen
Grafitti: Zwei Hände recken sich aus dem Knastgitter zueinander

Am nächsten Morgen machen wir uns auf Spurensuche zum Nordirland-Konflikt. Wir fahren zur sogenannten Peace Line: Im Westen Belfasts trennt diese Mauer die Wohngebiete der katholischen Republikaner von denen der protestantischen Unionisten. Die Straßen hier wirken auf uns furchteinflößend: Die Fenster der Häuser sind vergittert, entlang etlicher Straßenzüge zeigen großflächige Wandgemälde propagandistische Anschauungen, auch gewaltbereite. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass der Konflikt zwar äußerlich etwas zur Ruhe gekommen scheint, hier in den Straßen im Westen Belfasts aber weiter lodert. Und jederzeit wieder ausbrechen kann ….

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Wir verlassen Belfast und fahren weiter Richtung Westen. Unser Ziel ist, Irland einmal komplett zu umrunden und nach etwa zehn Tagen über Dublin wieder nach Belfast zurückzukehren. 

Und dann spult sich wirklich in den nächsten Tagen das komplette touristische Programm vor unseren Augen ab: als erstes die schroffe Westküste. Die Straße bietet fantastische Ausblicke, immer wieder wechselt sie zwischen Strandnähe und hohen Klippen. Wobei, mit Strand ist es hier so eine Sache: Weil der Atlantik im Westen Irlands sehr rauh ist, gibt es wenig Strände, dafür umso mehr ausgewaschene Klippen und Buchten. Immer wieder mit vielen Vögeln besetzt.

Rinderauktion im Westen Irlands
Rinderauktion im Westen Irlands

Rinderauktion in einem kleinen Ort an der Westküste: Es geht hoch her bei den sonst so gemütlichen Iren

Über Derry (85.000 Einwohner, zweitgrößte Stadt Nordirlands, unbedingt die „Guildhall“ bestaunen, neugotisches Wunderwerk aus rotem Backstein) geht unsere Fahrt zunächst nach Donegal. Wir besuchen das gleichnamige Castle und die Ruinen einer Franziskanerabtei.

Die Klippen an der Küste von Donegal sind nicht so bekannt wie die Cliffs of Moher, jedoch genauso einmalig. Mit einer Höhe von ca. 600 m sind die Steilklippen sogar unübertroffen die höchsten in Europa! Über die ehemalige Klostersiedlung Drumcliff, in der sich das Grab des berühmten Literatur-Nobelpreisträgers William Butler Yeats befindet und entlang der Mayo-Küste erreichen wir später die lebhafte Kleinstadt Sligo.

Galway Straßenszene
Galway Straßenszene

Vielleicht die "irischste" aller irischen Städte:: Galway – buntes Treiben und Lebensfreude pur

Nächstes großes Ziel ist Galway. Der Weg führt durch das wildromantische und ursprüngliche Connemara Gebiet. Galway hat 80.000 Einwohner. Die Hafenstadt ist vielleicht die „irischste“ aller irischen Städte: buntes Treiben, hohe Kunst-, Kultur- und Pub-Dichte. Im Latin Quarter sind Teile der mittelalterlichen Stadtmauern erhalten. In den gewundenen Gassen wechseln sich Kunstgalerien, Boutiquen und Cafés mit Natursteinfassaden ab. Die gute Laune der Iren ist hier auf Schritt und Tritt spürbar. Sie genießen ihr Leben, egal was um sie herum passiert, so scheint es. Und damit ist nicht nur die Welt an sich, sondern sind schon das nahe Dublin oder Belfast gemeint. ´Sollen sie in der Hauptstadt politisieren, wir hier machen’s uns schön´, heißt das unausgesprochene, aber überall in Galway gelebte Motto. (Kleiner Tipp: In Galway kann man gutes Glas kaufen. Hohe Qualität, schönes Design!)

Single Track Road in Irland, Begegnung mit anderem Auto
Single Track Road in Irland, Tiere am Fahrbahnrand

Die Straßen Irlands sind mitunter sehr schmal .... und müssen dann auch noch häufig mit Schafen geteilt werden 

Dichte Hecken säumen die ohnehin schon schmale  Straße
Straße führt über eine Brücke Richtung Fjord

Hohe Hecken auf mehreren Kilometern sind nicht ungewöhnlich. Urplötzlich weitet sich dann der Blick und man kommt an einem Fjord auf eine Siedlung zu

Hier im gesamten Westen Irlands ist Regenkleidung übrigens ein Muss. Die Gegend um Galway zählt zu den regenreichsten Gebieten der Insel. Das Wetter ändert sich oft schlagartig: von Sonne zu Regen und peitschendem Sturm innerhalb einer Viertel Stunde.

Weltberühmte Klippen von Moher, im Nebel

Die weltberühmten "Cliffs of Moher": kein Werbebild, aber ein authentisches! Denn die meiste Zeit, auch im Sommer, regnet es an der Westküste Irlands

Nach zwei weiteren Tagen erreichen wir die beeindruckenden Steilklippen „Cliffs of Moher“. Insgesamt sind die Entfernungen in Irland nicht zu unterschätzen. Zwar wirkt die Insel klein, aber durch das Ausfahren der Buchten und die kurvenreichen Straßen braucht man Zeit. 200 Kilometer am Tag sind ausreichend, denn Zeit für Besichtigungen braucht es schließlich auch.

Jetzt also Cliffs of Moher: Hier wurden Szenen berühmter Filme gedreht, u.a. Harry Potter. Die Klippen ragen an vielen Stellen nahezu senkrecht aus dem Atlantik. Sie erstrecken sich über mehr als acht Kilometer. Am Südende haben sie eine Höhe von ungefähr 120 m, im Norden erreichen sie sogar 214 m. Am Kliff leben fast ausschließlich Vögel; eine Zählung ergab 30.000 Tiere in 30 Arten. Natürlich gibt es ein modernes Besucherzentrum, Aussichtsplattformen und eine kilometerlangen Wanderweg. Am schönsten ist es aber in den Abendstunden, wenn die große Masse der Besucher weg ist. Dann haben der Anblick der Klippen und das Beobachten der Vögel fast etwas Mystisches.

Klippen, Kurven, Fjorde, Felsen entlang der Straße
Ausblick aufs Meer auf dem Weg nach Killarney
Ausblick aufs Meer auf dem Weg nach Killarney

Auf dem Weg nach Killarney: Klippen, Kurven, Fjorde, Felsen und Gestein. Wirkt gleich, ergibt aber immer wieder andere Ausblicke

Wir kommen nach Killarney. Die Stadt im Südwesten Irlands liegt an der Panorama-Küstenstraße Ring of Kerry. Deshalb mieten wir uns gleich für zwei Tage hier ein. Killarney ist ebenso Start- und Endpunkt des 200 km langen Fernwanderwegs Kerry Way. Aber den haben wir grad nicht vor, zu begehen ...

Die Stadt selbst hat auch einige wenige Sehenswürdigkeiten, etwa die im 19. Jahrhundert errichtete Marienkathedrale. Von dort erreicht man über eine Brücke den Killarney-Nationalpark. Hier befinden sich das viktorianische Herrenhaus Muckross House, eine Gartenanlage und das Freilichtmuseum Muckross Traditional Farms, das dem Leben der Landbevölkerung gewidmet ist.

Wegweiser zum Ring of Kerry in Irland
Tolle Ausblicke vom Ring of Kerry
Tolle Ausblicke vom Ring of Kerry
Tolle Ausblicke vom Ring of Kerry

Eine von Europas schönsten Straßen: Für den Ring of Kerry sollte man einen ganzen Tag einplanen

Am nächsten Morgen starten wir also unsere Rundtour auf dem Ring of Kerry. Er ist nicht nur das Aushängeschild des County Kerry, sondern vor allem auch die berühmteste Panoramastraße Irlands. Und eine der schönsten Europas! Über eine Länge von 179 Kilometern führt die Route über die schöne Iveragh Halbinsel. Sie ist vor allem für ihre Naturvielfalt bekannt. Es gibt (wieder) zerklüftete und grüne Küstenabschnitte, dazu ländliche Küstenorte zu bestaunen. Weil hier alle Fahrer von Autos, Bussen und sogar Motorrädern bummeln, benötigen wir statt der avisierten 3,5 Stunden sieben Stunden für die Rundfahrt. Aber die haben sich wirklich gelohnt. Diese Straße ist ein einziger Augenschmaus – mit Seen, Flüssen, Wasserfällen, Herrenhäusern, Burgen und Schlössern. Wir sind glücklich, müde und froh, nochmals in Killarney zu übernachten. 

Selten: Sandstrand in Irland

Selten: Strände in Irland

Herrenhaus in Irland

Häufig: Herrenhäuser und Schlösser in Irland

Genug Küste, wir beschließen ´schöner kann es nicht mehr werden`.

Wir fahren landeinwärts nach Cork. Besonderheit: Die City der Universitätsstadt liegt auf einer Insel im Fluss Lee. Durch den Seehafen Cork Harbour ist sie mit dem Meer verbunden. Mit 124.000 Einwohnern ist Cork heute die zweitgrößte Stadt Irlands. Im Cork City Gaol, das wie eine Burg aussieht und 1824 gebaut wurde, waren damals Häftlinge eingesperrt, die nach Australien gebracht werden sollten. Heute zeigen interessante Ausstellungen die Geschichte des Gebäudes. Symbol von Cork ist die Kirche von Shandon aus dem 18. Jahrhundert (offiziell heißt die Kirche St. Anne’s). Sie liegt auf einem Hügel und ist einen Besuch wert. 

 

Cork bietet mit seinen vier „Cork Walks" eine Besonderheit. Auf ihnen kann man als Spaziergang die wichtigsten Sehenswürdigkeiten kennenlernen. 

Reiche Auswahl an gezapften Bieren in jedem Pub
Blick auf die berühmte Guinness-Brauerei in Dublin.

Reiche Auswahl an gezapften Bieren in jedem Pub (Foto links). Blick auf die berühmte Guinness-Brauerei in Dublin. Eine Besichtigung empfiehlt sich auch Nicht-Biertrinkern (Foto rechts)

Wir erreichen Dublin und entscheiden uns für eine Hop on-hop off-Tour. 

So lassen sich Dublin Castle, Christ Church Cathedral, St. Patrick's Cathedral und die Teeling Whiskey Distillery bequem erreichen und besichtigen. Schließlich gehen wir ins berühmte Guinness Storehouse. Hier erfahren wir mehr über die Geschichte des weltweit beliebten irischen dunklen Bieres. Der Herstellungsprozess wird nicht nur erklärt, sondern auch gezeigt. Abschließend gibt es ein im Eintrittspreis inbegriffenes Pint in der „Gravity Bar“. Noch mehr wert ist allerdings die Aussicht von hier aus dem obersten Stockwerk des Guinness-Gebäudes. Wir genießen unser Pint bei bestem Blick über Dublin. Viele kaufen sich noch ein zweites großes Bier. Vor allem bei den Asiaten steigt damit der Laune- und Lautstärkepegel proportional. Es geht lustig zu hier – hoch oben über der irischen Hauptstadt! 

 

Zurück auf der Straße sind wir überrascht: Wo eben noch strahlender Sonnenschein herrschte, setzt plötzlich der "soft rain“ ein, wie die Dubliner den üblichen Nieselregen liebevoll nennen. Wir beschließen den Nachmittag deshalb im nostalgischen Bewley’s Oriental Café in der Grafton Street.

Am Abend genießen wir in einem Pub das irische Nationalgericht: Irish Stew, ein Eintopf mit Kartoffelbrei und Lamm.

 

Am nächsten Morgen gehts zurück nach Belfast.  Noch ein Stopp in Brú na Bòinne, gut eine Stunde nördlich von Dublin. Hier erfährt man alles über mehr als 5000 Jahre irische Geschichte. Dazu gehört auch das jungsteinzeitliche Hügelgrab Newgrange, eine der weltweit bedeutendsten Megalithanlagen, UNESCO Weltkulturerbe.

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In Belfast geht es wieder zurück auf die moderne Schnellfähre, hinüber nach Stranraer in Westschottland. Noch 400 Kilometer bis Newcastle, dann die Nachtfähre nach Amsterdam.

 

Zwei Erkenntnisse am Ende dieser Reise: Erstens, auch für Irland gilt ebenso die Empfehlung, wie für Schottland, öfter mal in Herrenhäusern oder kleinen Schlössern zu Übernachten. Das kostet im Vergleich zu normalen Hotels  nicht so viel mehr, lässt den Gast aber gut in das irische Leben eintauchen. Und zweitens, auch wenn wir jeden Tag im Auto unterwegs waren, war der Roadtrip zu keiner Zeit stressig oder anstrengend.

Die Gemütlichkeit der Iren und ausgiebige Pausen sorgten für tiefe Einblicke in ein Land, das man immer „ähnlich wie Großbritannien“ wähnt, in Wahrheit aber viel Eigenständiges und Originelles zu bieten hat. (Juni 2013)

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