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Nordwärts bis zum Ende

Eine Rundreise durch Schottlands Highlands offenbart Überraschendes,
Erstaunliches und trotz Einsamkeit jede Menge Vielfältiges

Dudelsackspieler in Schottland

Zwei sympathische, immerwährende Konstanten in Schottland: Dudelsackspieler und Castle

 

Von Fred Hafner

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Tongue. Die Überfahrt mit der Nachtfähre von Amsterdam nach Newcastle war ruhig. Am morgen sehen wir schon länger die britische Küste, bevor wir dann gegen 10 Uhr schließlich in Newcastle anlegen. An den ersten drei Kreisverkehren weisen große Schilder nochmals eindringlich die ankommenden Kontinentaleuropäer auf das Linksfahren hin („keep left“). Die Umgewöhnung ist nach drei Kreisverkehren intus.

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Newcastle hat eine gelungene Metamorphose von einer alten Bergarbeiterstadt zu einer modernen Großstadt geschafft. Die einstige Bergbau- und Industrie-Ikone ist heute eine angesagte Kunst- und Kulturmetropole in Nordengland.

Die Gateshead Millenium Bridge ist nur eine von sieben architektonisch beeindruckenden Brücken, die über den Fluss Tyne führen und Newcastle mit Gateshead verbinden. Wir fahren zum „Baltic“, dem größten Zentrum für zeitgenössische Kunst in Europa. In ständig wechselnden Ausstellungen sind Werke renommierter und junger Künstler zu sehen. Und: Teile des Castle, das der Stadt ihren Namen gab, und 1080 erbaut wurde, stehen bis heute: Der Wehrturm Castle Keep und das Black Gate können besichtigt werden.

Newcastle ist berühmt für sein aufregendes Nachtleben. Es gibt hippe Cafés, Pubs, die eigenes Craft Beer brauen, und richtungsweisende Galerien, die Werke moderner Künstler zeigen.

Englisch-schottisches Grenzschild an der Straße
Besuchertafel mit Infos am Eingang zu Schottland

Nur ein paar Meilen nördlich von Newcastle empfängt Schottland mit einem Besucherzentrum seine Gäste

Blick auf Edinburgh, Hauptstadt Schottlands
Berühmte Forth Road Bridge, nördlich von Edinburgh

Edinburgh ist Schottlands Hauptstadt und eine eigene Reise wert (Fotos links). 

Wir aber fahren in die Highlands, über die berühmte Forth Road Bridge, eine imposante Hängebrücke (rechts)

Am nächsten Morgen starten wir Richtung Norden, Richtung Schottland. Wir wollen bis zu äußersten Spitze fahren, bei Thurso, auf der A 836 die Nordspitze umrunden.

Zunächst geht es Richtung Edinburgh. An der Grenze England-Schottland beim kleinen Ort Gretna erwarten uns große Hinweisschilder und ein aufgeräumter Parkplatz mit Infocenter. Wir lernen: Schottland möchte seine Besucher freundlich empfangen. Auch mal erwähnenswert: Sogar saubere WC gibt es hier, eine Angelegenheit, die in vielen Ländern nicht immer selbstverständlich ist. 

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Edinburgh ist die Hauptstadt Schottlands. Wir verbringen hier eine Nacht, lassen uns abends durch die kompakte, hügelige Stadt treiben. Neben der mittelalterlichen Altstadt gibt es auch eine elegante gregorianische New Town mit Gartenanlagen und neoklassizistischen Gebäuden. Hoch über der Stadt thront das Edinburgh Castle. Von hier hat man den besten Aus- und Überblick.

Sehr angenehm: Hier oben sind die Straßen autofrei. Die Burg beherbergt die schottischen Kronjuwelen und den "Stein der Vorsehung", der bei der Krönung der schottischen Könige zum Einsatz kam. Auch vom Hausberg Arthur’s Seat im Holyrood Park bietet sich ein weiter Blick. Auf der Spitze des Calton Hills stehen Denk- und Mahnmäler.

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Über die Forth Road Bridge verlassen wir die Stadt Richtung Norden. Die imposante Hängebrücke überspannt den Meeresarm zwischen den Orten North Queensferry und South Queensferry. Sie steht zwischen der Forth Bridge, der 1890 eröffneten Eisenbahnbrücke, und der noch weiter westlich stehenden Queensferry Crossing, der 2017 eröffneten Autobahnbrücke. Die insgesamt 2.517 m lange und 33 m breite Brücke hat vier Fahrspuren, aber keine Pannenstreifen. Die Brückendurchfahrtshöhe für die Seeschiffe beträgt 45,7 m. Mit einer Spannweite von 1.006 m war sie bei ihrer Eröffnung 1964 die größte Brücke ihrer Art in Europa. Sie macht auch heute noch einen großen Eindruck.

 

Unser heutiges Ziel ist Inverness. Die Autobahn endet nach ein paar Kilometern abrupt. Dann aber geht es auf gut ausgebauten Landstraßen Richtung Cairngorms Nationalpark. Zuvor machen wir in Pitlochry kurz Kaffeestop. In der Nähe beeindruckt das schneeweiße Blair Castle. Der nun folgende Nationalpark Cairngorms ist der zweitjüngste der fünfzehn Nationalparks Großbritanniens. Seine Fläche beträgt 3.800 km². Es gibt sehr viel Rotwild, vor allem Hirsche. Schilder mahnen ständig zum vorsichtigen Fahren. Zugelassen sind eh nur 70 Meilen/Stunden, also 110 Km/h. Auch wegen zahlreicher Blitzer sollte man sich tunlichst daran halten. Sonst wird es teuer.

Gepflegter schottischer Landschaftsgarten
Gepflegter schottischer Landschaftsgarten

Die Gartenkultur auf der Insel ist legendär, allerdings auch begünstigt durch häufige Niederschläge

College in Inverness
Einkaufsstraße in Inverness

Auch ein schöner Name für ein College (links). Inverness ist die letzte große Stadt vor den Highlands (rechts).

Inverness an der Nordostküste Großbritanniens ist mit seinen knapp 50.000 Einwohnern die „heimliche Hauptstadt“ Schottlands – sagen Einheimische. Auch wenn das etwas übertrieben erscheint: Inverness ist in jedem Fall DAS kulturelle Zentrum und die letzte größere Stadt vor den schottischen Highlands.

Hierher kommt man zum Einkaufen, um Menschen zu treffen und wenn man „einfach mal etwas erleben möchte“. Nördlich von Inverness wird es einsam. In der Altstadt stehen die Inverness Cathedral aus dem 19. Jahrhundert, die hauptsächlich aus dem 18. Jahrhundert stammende Kirche Old High St Stephen's und der Victorian Market, in dem Lebensmittel, Kleidung und Kunsthandwerk verkauft werden. Im modernen Inverness Museum and Art Gallery werden die lokale Geschichte sowie die der Highlands präsentiert.

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Am nächsten Morgen fahren wir weiter an der Ostküste entlang Richtung Dornoch. Jetzt kommen viele kleine, hübsche Küstenorte, allerdings: Baden geht hier niemand. Das Wasser ist auch jetzt im Sommer mit 15 Grad einfach zu kalt.

Dornoch ist eine attraktive historische Stadt und berühmt für seine langen Sandstrände. Mit kleinen Booten für maximal 12 Personen kann man Ausfahrten zu Delfinbeobachtungen unternehmen. Ein Führer ist immer an Bord. Bei neun von zehn Fahrten gibt es „die Garantie, Delfine, Wale und Seevögel“ zu sehen, wie Flyer es anpreisen. 

Wir fahren über Brora und Dunrobin Castle weiter nach Helmsdale. Jetzt haben wir die Qual der Wahl: Entweder über die Küstenstraße weiter nach Norden bis nach Thurso oder auf der A 897, die nah an den Wäldern von Forsinard und Golval vorbeiführt, quer durchs Land. Wir entscheiden uns für die erste Variante, erreichen Wick und später den nordöstlichsten Festlandspunkt Schottlands, John o´Groats. Hier starten die Schiffe zu den Orkney Inseln. 

Single Track Road im hohen Norden Schottlands
Single Track Road im hohen Norden Schottlands

Single Track Roads sind genial. Dennoch gilt es, nicht nur auf Gegenverkehr, sondern auch auf Tiere zu achten 

Einsamer Radfahrer im hohen Norden Schottlands
Nördlichster Punkt des Festlands: John o´Groats: "The last House Museum"

Einsamer Radfahrer auf dem Weg zum nördlichsten Punkt des Festlands: John o´Groats: "The last House Museum"

Jetzt beginnt der Spaß erst richtig. Vor uns liegen mehr als 100 Kilometer nördlichste Küstenstraße Schottlands mit unfassbaren Ausblicken von der Steiluferstraße auf die zerklüftete Küste. In Thurso angekommen, geht es weiter nach Tongue. Im gleichnamigen Tongue Hotel, einer viktorianischen Jagdunterkunft, finden wir ein Zimmer. Die Landschaft ist wirklich spektakulär.

 

Die Straße windet sich auch am nächsten Morgen um diverse Forellenseen, Strände, Klippen und weißgewaschene Hütten. Hier ist ein exzellentes Wander- und Surfrevier. Der bei Bettyhill ins Meer strömende River Naver ist ein berühmter Lachsfluss. Ein kleines Museum im Dorf erzählt die Geschichte der Highland Clearances, der Landvertreibungen ab Ende des 18. Jahrhunderts. Nach der verlorenen Schlacht von Culloden kamen die englischen Landlords. Sie waren an der profitablen Schafzucht interessiert, dafür brauchten sie Land. Die Bauern mussten weichen, viele neue Küstenorte entstanden, wie etwa Bettyhill.

Fjordlandschaft in Schottland
Fjord in Schottland, Wasser in Karibikfarben

Traumhafte Aussichten hinter jeder Ecke. Das Wetter ändert sich teilweise minütlich

Das Tongue Hotel am Ende der Welt
Schafe und Strand an schottischer Küste

Das Tongue Hotel im gleichnamigen Ort war eine alte viktorianische Jagdunterkunft (Foto links). Schafe an Strand und Klippen sind normal (rechts)

Ab Durness geht es wieder Richtung Süden, was uns ein wenig traurig stimmt. Aber auch hier, an der Westküste, gibt es weiter schöne Ausblicke auf Klippen und Meer. 

 

Wir erreichen Ullapool. Der Küstenort im Verwaltungsbezirk Highland in Schottland am Loch Broom hat zwar nur 1.500 Einwohner, ist aber dennoch die größte Siedlung in den sehr dünn besiedelten nordwestlichen Highlands. Ullapool wurde 1788 als Hafen für den Heringsfang gegründet.

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Über Dundonell und Gairloch geht es weiter zur Isle of Skye. Die Insel ist auch bei den Einheimischen sehr beliebt. Denn sie ist bekannt für malerische Fischerdörfer, schroffe Landschaften und stilvolle Schlösser. So finden wir uns plötzlich in einer langen Autoschlange wieder. So etwas kannten wir über Hunderte von Kilometern, davon etlichen auf Single track roads, gar nicht mehr.

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Single track roads sind einspurige, dafür gut ausgebaute, weil asphaltierte Straßen. Sie sind in vielen Gegenden der Highlands völlig ausreichend. Alle paar hundert Meter gibt es Ausweichstellen, so dass man eigentlich nur Ausschau nach Gegenverkehr halten muss, um rechtzeitig links heranzufahren. Das klappt wunderbar!

Hinweisschild: Enter the west coast
Hirsch neben der Straße

"Enter the West Coast" – und immer schön auf Hirsche achten!  

Sümpfe und Flüsse im Norden Schottlands
Lange schmale Brücke in Nordschottland

Sümpfe und Flüsse werden ständig überbrückt

Portree ist „Hauptstadt“ und Verwaltungszentrum der Isle of Skye. Mit seinen 1.500 Einwohnern ist es für nordwestschottische Verhältnisse ein großer Ort, der traumhaft am Ufer einer Meeresbucht liegt. Nördlich von Portree beginnt die Trotternish-Halbinsel. Sie mutet fast außerirdisch wild an, mit bizarren Felsformationen, einer wieder dramatischen Steilküste und phantastischen Ausblicken hinüber aufs schottische Festland. 

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Für die Isle of Skye sollte man sich mindestens zwei, drei Tage Zeit nehmen. Natürlich gibt es wieder viele Castle zu besichtigen, man kann Bootsfahrten unternehmen und Seevögel beobachten oder in Whiskey-Destillen probieren. Aber überhaupt: Skye ist der Inbegriff des wilden, keltischen Schottland. Das sollte man einfach auf sich wirken lassen. Abseits der Hauptstraße ist es wieder sehr einsam. Seit der Auswanderungswelle Anfang des 19. Jahrhunderts, als große Teile der Bevölkerung das Land verließen, bleiben bis heute immer weniger Menschen auf der Insel. An der Südspitze von Skye liegt Armadale Castle, heute Sitz und Zentrum des Clan Donald Centre. Und im Nordwesten der Insel bildet Dunvegan Castle als angeblich älteste noch bewohnte Burg Schottlands die Hauptsehenswürdigkeit. Anhand von Gemälden und Erinnerungsstücken der MacLeods erhält man in Dunvegan einen tiefen Einblick in Leben und Gebräuche des schottischen Clans.

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Wir verlassen die Isle of Skye. In der Nähe von Lochalsh lädt das prächtig gelegene, historische Eileen Donan Castle zu einer Besichtigung. Die trutzige Clanburg diente als Filmkulisse für den Kultfilm „Highlander“ und ist nicht nur für Cineasten der Inbegriff der schottischen Hochlandromantik.

Eileen Donan Castle aus dem Kultfilm Highlander
Dudelsackspieler vor dem Eileen Donan Castle

Das Eileen Donan Castle zählt zu den bekanntesten in Schottland und war Kulisse für den Kultfilm "Highlander"

Vorbei an Loch Loch fahren wir nach Fort William. 

Fort William ist eine Stadt in den westlichen schottischen Highlands. Sie liegt am Ufer des Loch Linnhe und gilt als Tor zum Ben Nevis, dem höchsten Berg Großbritanniens, sowie zum Tal Glen Nevis mit dem Wasserfall Steall Falls. Im West Highland Museum erhalten wir Einblicke in das Leben und die Geschichte der Region. Im Nordosten der Stadt besuchen wir die Brennerei Ben Nevis. Klar, müssen wir einen Whiskey verkosten. 

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Wir verlassen den Highlands, fahren jetzt auf Glasgow zu. Die schottische Hafenstadt liegt in den westlichen Lowlands am Clyde. Sie ist bekannt für ihre Architektur im viktorianischen und Jugendstil, die aus der Periode des 18. bis 20. Jahrhunderts stammt. Damals war Glasgow ein wohlhabendes Handels- und Schiffsbauzentrum. Heute sieht man mancherorts doch Verfall, aber die Stadt stemmt sich dagegen. Sie entwickelt sich zu einem bedeutenden nationalen Kulturzentrum. Neben der Scottish Opera, dem Scottish Ballet und dem National Theatre of Scotland verfügt die Stadt auch über renommierte Museen und eine lebendige Musikszene. 

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Am nächsten Abend erreichen wir wieder „unsere“ Fähre in Newcastle. Auch wenn die Überfahrt nach Amsterdam, nach „old Europe“, diesmal ein wenig unruhiger ist: Es ist doch die beste Verbindung, wenn man mit eigenem Pkw die schottischen Highlands erfahren möchte. Denn die Fähre erspart viele Kilometer An- und Abreise durch England. 

 

Vielleicht zwei Tipps zum Schluss: Wenn möglich, sollte man Herrenhäuser oder ehemalige Jagdschlösser (können auch klein sein) zum Übernachten buchen. Die sind meist von herrlichen Gärten umgeben, liegen ruhig und haben viel Charme gegenüber üblichen Hotels. Und: In den Highlands selbst fährt man viele Kilometer (wir hatten nach der Rundreise 3.000 km mehr auf dem Tacho), die Tankstellendichte ist aber gering. Dazu kommt, dass die Öffnungszeiten der Tankstellen oft recht kurz sind. Wir haben immer nachgetankt, wenn wir eine offene Station fanden.

 

Das Links-Fahren wiederum ist wirklich easy und nach wenigen Meilen (statt Kilometern!) intus. Zumal die Einheimischen in den Highlands wirklich sehr entspannt unterwegs sind. Und die Single Track Roads sind ein wahrer Segen für jene Gegenden, in denen es ansonsten gar keine asphaltierten Straßen geben würde. (Juli 2016)

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