Vom alten Stahl in lichte Zukunft
Luxemburg: Wie man aus einer Industrielandschaft aus dem
19. Jahrhundert eine moderne Location macht – früher 6 Hochöfen,
heute Universität für 4.700 Menschen aus 114 Ländern
Altem Werksgelände modernes Leben eingehaucht: Uni-Lesesaal in Belval mit Industriecharme
Von Fred Hafner
Belval. Ob sportlich aktiv, kulturell interessiert, Feinschmecker, Marken- oder Schnäppchenjäger – in Luxemburg kommt jeder auf seine Kosten. Unterschiedliche Landschaftsformen und -bilder, die sicherste Hauptstadt der Welt, babylonisches Sprachengewirr auf Straßen und Plätzen verrät den kosmopolitischen Charakter dieses Landes. Küche und Regionalprodukte bieten höchstes Niveau: Luxemburg entdecken heißt, auf engstem Raum spannende Kontraste zu erleben: das Spiel von Großem und Kleinem, Historischem und Zeitgenössischem, von Tälern und Bergen, von einheimischer Bodenständigkeit und internationalem Flair. Ob die Hauptstadt Luxemburg, das wild-romantische Müllerthal, die Ardennen, das Moselland – Luxemburg ist auf kleinster Fläche derartig vielfältig wie kaum ein anderes Land auf der Welt.
Wo früher die Grubenbahnen fuhren, kann man heute die Stollen besichtigen. Gummistiefel, Helm und Regencape sind Pflicht!
Aber selbst wer diese Regionen alle kennt, wer also Luxemburg bereits mehrfach bereist, der entdeckt immer neue Ecken.
Zum Beispiel die Kupfermine in Stolzembourg in den Luxemburger Ardennen: Der Ort liegt im reizvollen Ourtal, nur sechs Kilometer flussaufwärts der Burgstadt Vianden. Im Dorf zeugen der vor 1585 erbaute Glockenturm und die Kirche von der langen Geschichte des Ortes und der Region. 1,5 Kilometer von Stolzemburg entfernt befinden sich die Überreste einer Kupfergrube. Seit mehr als 500 Jahren haben die kupferhaltigen Erzadern des „Klangbaach“ mehrere Investoren nach Stolzemburg gezogen. 1856, 1882, 1901 und 1938 war der Abbau beachtlich. Das größte Problem war immer das Wasser, das die Galerien jedes Mal wieder überschwemmte.
In den vergangenen Jahren wurde nun ein Teil der unterirdischen Galerien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 50 Meter unter der Erde lernen die Besucher – bestens mit Gummistiefeln, Helm und Regencape ausgerüstet – den schwierigen Abbau des Kupfererzes von früher kennen. Führungen gibt es sonntags 14 Uhr oder auf Anmeldung.
Ein weiteres Tagebaugebiet liegt ganz nah im Südwesten des Landes, in Fond-de-Gras. Der dortige Minett-Park umfasst viel Sehenswertes: den Ort Fond-de-Gras, das Dorf, Lasauvage, das alte Tagebaugebiet „Giele Botter“, einen wunderbaren Krämerladen und das keltische Oppidum auf dem „Titelberg“. Dieses Ensemble bildet ein geschichtsträchtiges Freilichtmuseum, in dem Bergbau-, Eisenbahn- und Industriegeschichte auch in ihrer sozialen Dimension beleuchtet werden.
Die Grubenbahnlok wird für die Fahrt vorbereitet und dafür mit Wasser und Kohlen versorgt
Und am Bahnhofsschalter, der gleichzeitig als Stellwerk fungiert, kauft man sich für die Reise noch echte Edmonsonsche Fahrkarten, also jene aus Pappe (Foto oben)
Für alle Fälle gibt es natürlich auch eine Diesellok
Der Minett-Park ist erreichbar mit dem historischen Zug „Train 1900“. Der Dampfzug aus der Zeit um 1900 fährt noch heute von Petange nach Fond-de-Gras. Die 7,3 Kilometer lange Fahrt dauert 60 Minuten. Im Bahnhof Fond-de-Gras wird der Bahnbetrieb mit Original-Einrichtungen und Betriebsmitteln aus dieser Zeit durchgeführt. Außerdem verkehrt eine Grubenbahn auf 700 mm Spurweite von Fond-de-Gras über Lasauvage nach Saulnes in Frankreich. Die Fahrt führt durch den Stollen und wird mit einer Tour im Innern des Bergwerks ergänzt. Dabei werden auch die alten Bergbaumaschinen gezeigt.
Und sogar eine elektrische Grubenbahnlok gibt es. Rechts ein Überblick über das gesamte Netz.
Umkleideraum der Minenarbeiter: Um Platz zu sparen, zogen sie ihre Bekleidung nach dem Umziehen einfach an Haken nach oben (Foto oben)
Plakate mit guten Ratschlägen gab es damals natürlich auch (Foto rechts)
Wie man aus einer alten Industrielandschaft eine moderne Location macht, das beweisen die Luxemburger in Belval. Hier standen sechs Hochöfen, die 1997 stillgelegt werden mussten. Stahl zu produzieren, war unrentabel geworden.
Heute findet sich in Belval ein futuristisches Nebeneinander von zwei Hochöfen und modernen Gebäuden. Die Uni Luxemburg mit 4.700 Studenten aus 114 Nationen ist heute hier beheimatet. In Belval gibt es diverse Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten, ein neuer Bahnhof liegt mittendrin. Das jährliche „Hochofenfest“ im Juli lockt 20.000 Besucher an. Sie sind interessiert, wie aus 100 Prozent Industriefläche 100 Prozent Stadtquartier wurde – und bevölkern dieses zunehmend. 7.000 Menschen werden künftig in Belval wohnen, 20.000 arbeiten, forschen und studieren. Für alle ist mit den vielen Möglichkeiten bestens gesorgt.
Belval steht als europaweites Beispiel dafür, wie man alten Industrieflächen ein modernes Gesicht geben kann. (Juni 2019)
Alt und neu auf einem Bild: Links einer der sechs alten Hochöfen von Belval – er ist heute begehbar und bietet eine guten Rundblick. Rechts: Auf dem Abrissgelände der alten Hochöfen entstanden moderne Uni-, Hotel.- und Einkaufsflächen
Anreise:
Bahn über Köln oder Frankfurt nach Luxemburg.
Flug: Luxair von vielen deutschen Städten nach Luxemburg.
Pkw: über die A1 nach Luxemburg.
Beste Reisezeit: ganzjährig
Infos: