Musterstadt am Reißbrett
Nach Olympia 2014 strömen immer mehr Urlauber in die Region am Schwarzen Meer.
Rosa Khutor, nur einen Katzensprung von Sotchi entfernt, ist inzwischen
der feinste Wintersportort Russlands
Von Fred Hafner
Sotschi/Rosa Khutor. Waleri strahlt. Soeben ist der 39-Jährige russische Ingenieur mit seiner Frau Olga (38), Lehrerin, und den beiden Söhnen Dimitri, 13 Jahre, und Alexander, 9 Jahre, nach 80 Minuten und drei Seilbahnfahrten auf Rosa Khutor Peak angekommen. Das ist der höchste Punkt von Rosa Khutor. Während die Familie bei herrlichem Sonnenschein und Ausblicken gleich das Picknick auspackt, gönnt sich der Vater den „Himmelstrail“: Behelmt, gesichert und angegurtet balanciert Waleri minutenlang über eine 100 Meter lange schmale Holzleiter, unter sich das 600 Meter tiefer gelegene Tal. Der Ausflug auf den Berg ist der Höhepunkt im zweiwöchigen Urlaub der jungen Familie aus Irkutsk. Sie haben sich sehr bewusst für die Region Sotschi entschieden, wollten die Olympiabauten, den Olympiapark und natürlich auch das angrenzende Ski- und Wandergebiet des Südkaukasus um Rosa Khutor sehen und erleben.
Wie Waleri und Olga denken viele Russen: Nach den Winterspielen in Sotschi wollen sie die attraktive Tourismusregion selbst in Augenschein nehmen. Und so surren die von Österreichern gebauten insgesamt 27 Bergbahnen an allen 365 Tagen im Jahr ununterbrochen und wie am
Schnürchen – denn Rosa Khutor ist längst auch ein beliebtes Sommerziel geworden. Allein
8.200 Gäste fahren mit verschiedenen Kabinenbahnen und Sesselliften täglich auf den „Peak“. Nach Rosa Khutor kommen weit mehr.
Die Region bietet heute 14 Hotels. Insgesamt besuchen Rosa Khutor im Winter 800.000 Urlauber, im Sommer sind es bereits 1,2 Millionen. „Die meisten unserer Gäste sind Russen, etwa 97 Prozent“, sagt Alexander Belokobylskiy, Direktor des sogenannten „Sotschi-Departments Rosa Khu- tor“. Drei Prozent der Gäste kommen aus Kasachstan, Israel, Iran, Weißrussland – auch aus Deutschland.
Das soll sich ändern: Im Februar 2017 hat Condor bereits drei Charterflüge von Berlin nach Sotschi durchgeführt. Bucher-Reisen, Konzerntochter von Thomas Cook, will die Zusammenarbeit mit der Region intensivieren. „Wir sind sicher, dass Rosa Khutor als Kurort bei deutschen Gästen Interesse findet. Insbesondere auch, weil wir ein hochwertiges Produkt anbieten, dass sich mit den europäischen Winterdestinationen messen kann“, sagt Olga Filipenkova, Marketing- und Verkaufsdirektorin des Kurorts.
Skypark bei Rosa Khutor: Mit fast 500 Metern zweitlängste Hängebrücke Europas (Foto oben).
Nur nicht hinuntergucken: Beim Blick ins Tal könnte es ängstlichen Gemütern schwindlig werden (Fotos unten)
Nagelneue Siemens-Züge verbinden Sotschi mit Rosa Khutor. An der ebenfalls neue Strecke entstanden moderne Bahnhöfe, hier Olympiapark
Rosa Khutor ist mit 94 Kilometern Skipiste das größte Skigebiet Russlands. 2013 bis 2015 wurde es mit dem „Welt Ski Award“ als bestes Skigebiet Russland ausgezeichnet. Aber längst ist es ein Ganzjahresziel: Durch die Lage in den Bergen und die gleichzeitige direkte Nähe zum Meer ist Rosa Khutor auch bei Wellness- und Erholungssuchenden beliebt.
Denn außer Rosa Khutor ist auch Sotschi sehr attraktiv geworden. In die Infrastruktur wurde im Zuge der Winterspiele 2014 massiv investiert. Es gibt 360 Kilometer neue Straßen
und Autobahnen, dazu Hunderte neuer Brücken und Tunnel, viele neue Hotels, Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten, Parkhäuser. Und es gibt eine komplett neue 50 Kilometer lange Bahnverbindung mit Siemens-Zügen von Rosa Khutor nach Sotschi (Ticket 3 Euro/Person).
Aus dem Olympiapark von 2014 wurde ein Vergnügungspark: mit Eispalast, Theater, Formel-1-Strecke, Riesenrad und Achterbahn
Auch in Sotschi entstanden viele neue Hotels, aber jede Menge Grün gibt es immer noch. Ebenso sicher wie russische Folklore: ein mobiler Stand mit "Kwas"-Verkauf. Das erfrischende Getränk wird durch Gärung von Brot hergestellt
Wo 2014 die olympischen Wettkämpfe stattfanden und viele Sportler wohnten, finden sich heute mehrere Theater, eine Tennisakademie mit 8.000 und ein Eispalast mit 12.000 Plätzen, die Formel-1-Strecke mit Platz für 58.000 Zuschauer, ein Riesenrad, eine Achterbahn und vieles mehr. „Drei Viertel der Fahrgeschäfte kommen übrigens aus Deutschland“, erklärt unsere Dolmetscherin Jelena.
Der Olympiapark umfasst eine Gesamtfläche von 300 Hektar. Wem die Distanzen zu groß sind, der kann sich an verschiedenen Punkte Elektroroller mieten.
Sotschi ist inzwischen sehr gut auf die wachsenden Touristenzahlen eingestellt: Gab es vor Olympia 2014 in den Hotels 220.000 Doppelzimmer, so sind es heute 440.000. Dazu kommen Pensionen, Sanatorien und Privatzimmer mit nochmals 200.000 Betten.
Für Waleri und Olga mit ihrem Monatseinkommen von zusammen umgerechnet 1.400 Euro war der Ausflug auf den höchsten Berg heute nicht ganz günstig. Allein die Seilbahnfahrten kosteten umgerechnet für alle gemeinsam 80 Euro, dazu kommen Speisen und Getränke und natürlich der „Fun-Park“. Aber die Familie ist glücklich. „Wir überlegen, im Sommer noch einmal nach Rosa Khutor zu kommen", sagt Waleri. (Juli 2017)
Ganzjahresziel Rosa Khutor, oberhalb von Sotschi in der Bergen gelegen. Der Vorteil: Hier wird es im Sommer nicht so heiß