"Bei uns steht die Kirche nicht im Dorf"
Südtirol kennt jeder. Wirklich interessant ist das Ultental.
Eine bodenständige, dennoch sehr moderne Region – mit mutigen Machern

Von Fred Hafner
St. Walburg. Die Kirche in Sankt Walburg steht nicht im Dorf. Die Kirche von Sankt Walburg hat sich auf einen nahe gelegenen Hügel zurückgezogen. Eine uralte Kultstätte, munkelt man im Dorf. Einer Legende zufolge hat man immer wieder versucht, die Kirche in die Dorfmitte zu verlegen. Doch die Heilige Walburg sei immer wieder zu ihrem Standort auf dem Hügel zurückgekehrt.
St. Walburg liegt im Ultental in Südtirol. Letzteres kennt (fast) jeder, während das Ultental im sprichwörtlichen Sinne noch ein Geheimtipp ist. Selbst wer einmal in Bozen oder Meran war (https://www.reiseblick.net/italiensüdtirol), wird nicht zwangsläufig auf das nahe gelegenen Ultental aufmerksam. Wer es aber einmal gefunden und besucht hat, kommt immer wieder zurück.


Lebendige Tradition: Im Ultental wird jeder neue Erdenbürger vom ganzen Dorf noch extra freudig begrüßt
Das Ultental ist klein. Es hat nur 5.000 Einwohner und 1.800 Gästebetten. 2024 gab es 234.000 Übernachtungen. Große „Bettenburgen“ gibt es hier nicht. Kleine Familienhotels, Almhöfe und Privatunterkünfte dominieren den Markt. Das Ultental ist nur etwa 50 Kilometer lang, besiedelt war es bereits 1.000 vor Christi. Die durchgehende Straße von Lana (an der Schnellstraße Bozen–Meran gelegen) nach Ulten wurde allerdings erst 1960 fertiggestellt. Typisch für das Ultental sind die dunklen Holzhäuser. Der hintere Teil gehört zum Nationalpark Stilfserjoch.
Roland Staffler leitet drei Familienhotels in St. Warburg. „73 Prozent unserer Gäste kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, 23 Prozent sind Italiener“, sagt der Fünfzigjährige. Es hätten sich auch schon mal einige wenige Asiaten und Amerikaner ins Ultental „verirrt“, aber das sei die Ausnahme. Staffler erzählt spannend und pointiert, während er sein Auto zielsicher von Lana aus über 324 Kurven durch das Tal aufwärts lenkt. Er kennt jede einzelne Kurve, könnte sie „blind“ fahren, wie er sagt. Morgens bergab- und abends -aufwärts nutzen täglich mehr als 700 Talbewohner zur Arbeit nach Bozen und Meran diese eine Straße, denn: Industrie gibt es nicht im Ultental.

Am Ende wird das Tal immer breiter: Eine Alm mit Blick ins Tal, im Hintergrund der Zoggler-Stausee und viele Dreitausender. Industrie gibt es nicht im Ultental

Verlaufen geht nicht, trotz 620 Kilometer langen Wanderwegen – alle sind bestens beschildert
Im Ultental ist man heimatverbunden, herzlich - und vor allem immer authentisch! Kein Schickimicki, keine Industrie, keine Verkaufstempel oder gar internationalen Modeketten. Man lebt von dem, was das Tal hergibt.
Roland führt gemeinsam mit seiner Frau Angelika das „Genießerhotel Alpenhof“ mit 51 Betten. Eine Schwester führt das „Familyhotel Viktoria“ (eröffnet 2016, 58 Betten) Rolands Mama die „Dependance Seerast“ (eröffnet 2005, 18 Betten). Die Eltern haben den Alpenhof 1979 eröffnet. Schon sie sind im Ultental geboren und hier zur Schule gegangen.
Wie fast alle Gastgeber im Ultental kaufen auch die Stafflers für ihre Hotelbetriebe mit insgesamt 140 Betten Lebensmittel ausschließlich vor Ort ein. So kommen etwa die Eier vom Meierhof, das Wildfleisch aus Proveis. Es wird von den Stafflers selbst vor Ort zu Steaks, Würsten und Speck verarbeitet.
„Auch unsere Beschäftigten in den Hotels kommen fast ausnahmslos aus unserem Tal“, sagt Roland Staffler. 54 seiner derzeit 56 Mitarbeiter sind Ultener, eine Mitarbeiterin kommt aus Rumänien, eine aus der Ukraine. 18 Mitarbeiterinnen haben eine Jahresstelle, 38 sind Saisonkräfte.

Hotel Alpenhof in St. Waltraud

Roland Staffler leitet gemeinsam mit seiner Familie drei Hotels in St. Walburg. Birgit Oesterle kommt aus Stuttgart und ist inoffizielle Markenbotschafterin des Ultentals in Deutschland
Staffler kennt es gar nicht anders, seit Jahrzehnten unterstützt man sich im Tal untereinander – zum Wohle aller. Herausforderungen gibt es dennoch: „Wir bewegen uns im Tourismus, unserer Haupteinnahmequelle, auf einem schmalen Grad. Wir haben außer den Urlaubern auch viele Tagesgäste. Aber wir wollen als Tal nicht überlaufen werden. Wir brauchen `gesunde´ Übernachtungsgäste“, nennt es Staffler. Weil nur sie die Wirtschaftlichkeit der Tourismusbetriebe sichern. „Die Tagesgäste kommen mal rasch mit dem Auto rein und abends wieder raus. Oft bringen sie noch eigenes Picknick mit. Das hilft uns nicht.“
Staffler hat viele Stammgäste. „Um sie möchte ich werben und sie behalten. Viele haben meine private Handynummer, das ist hier halt so“, sagt er. Und so kommen nach wie vor 85 Prozent Direktbuchungen herein, nur 15 Prozent über Buchungsportale. Derzeit gibt es 1.800 Gästebetten im Ultental. „Unser Ziel sind 2.000 Betten, um unsere gesunde Kostenstruktur zu erhalten“, sagt Staffler.
Das weiß auch Anna Rainer. Die Tourismuschefin im Ultental ist eine symphatische, bodenständige Frau, die mit Marketingsprüchen wenig anfangen kann. „Unser Alleinstellungsmerkmal, neudeutsch USP, heißt Ruhe, Ruhe, Ruhe: Und dazu absolute Authentizität. Bei uns im Ultental geht alles zwei Gänge langsamer.“ Keine Frage, das Konzept ist erfolgreich! Die anfangs erwähnte nicht im Dorf befindliche Kirche ist eine der wenigen Extravaganzen des Ultentals. „Wir sind nicht ständig auf der Jagd nach außergewöhnlichen oder gar bombastischen Highlights. Wir bieten Urlaub pur in gesunder Luft und Umgebung, mit gesunden Lebensmitteln und herzlichen, authentischen Gastgebern“, sagt Anna Rainer.

Mit diesen Geräten wurden über Jahrhunderte die Böden im Ultental bearbeitet

Anna Rainer ist Tourismuschefin im Ultental, vor allem aber eine bodenständige, sympathische Frau, die mit Marketingsprüchen nichts anfangen kann: "Schickimicki gibts hier nicht. Unsere Alleinstellungsmerkmale sind einzig und allein Ruhe und Authentizität."

Die Ultner Brotsuppe war früher ein "Arme-Leute-Essen". Heute ist es eine Spezialität: Das hart getrocknete Brot wird stückweise in die Gemüsebrühe gegeben. Darin schwimmt eine typische geselchte Bauernhauswurst in Scheiben
620 km Wanderwege gibt es im Ultental, von 600 bis auf 1364 Höhenmeter. Es gibt die Schwemmalmbahn, die auf 2.100 m hoch zur Äußeren Schwemmalm fährt. Es gibt selbst im kleinsten Gasthof, wirklich überall im Ultental, authentische Speisen, wie Ultner Brotsuppe, Ultner Mohnkrapfen, Schlurzkrapfen, Knödel. Für Übernachtungsgäste gibt es Freifahrt für die öffentlichen Verkehrsmittel im gesamten Ultental, dazu kostenlose Eintritte in Museen, Schwimmhalle, Kletterhalle. Und es gibt überall im Tal authentische Macher.
Etwa Wolfgang Raffeiner. Er leitet die örtliche Wollmanufaktur. Die Sozialgenossenschaft wurde 2011 einzig zu dem Zweck gegründet, die im Ultental reichlich anfallende Schafwolle zu verarbeiten. 3.000 Schafe bringen jährlich sechs Tonnen Wolle. Früher wurde sie einfach weggeworfen. Denn die Wolle ist mit 36 µm relativ dick und damit für die Bekleidungsindustrie uninteressant.
„Heute spricht jeder von Nachhaltigkeit. Als wir 2011 anfingen, gab es das Wort noch gar nicht“, erinnert sich Raffeiner. Dafür gab es natürlich anfangs Zweifler, aber inzwischen ist die Wollmanufaktur Bergauf im Ultental wirtschaftlich stabil. Übrigens als einzige Sozialgenossenschaft Italiens! Sie finanziert sich komplett ohne öffentliche Beiträge, „nur durch den Verkauf unserer Produkte. Das ist eine große Erfolgsgeschichte, aber ohne Tourismus wäre das nicht möglich“, weiß Raffeiner. Sechs Mitarbeiter erwirtschaften 250.000 € Jahresumsatz, pro Arbeitstag müssen 1.000 Euro Umsatz her. „Das ist anspruchsvoll, aber wir erreichen das“, sagt Raffeiner.


Die Wollmanufaktur Bergauf in Kuppelwies rettet Schafwolle, die sonst weggeworden wurde. Chef Wolfgang Raffeiner


Wolle, soweit das Auge reicht. Und dazu alte Maschinen aus Chemnitz, die zuverlässig ihren Dienst tun
Zur Wahrheit gehört, dass die 40.000 Südtiroler Schafe 100 t Wolle jährlich produzieren, wovon nur 20 Prozent verarbeitet werden, Tendenz sinkend. 80 Prozent der Wolle werden also weiterhin einfach weggeworfen. „Darüber kann man zu Recht klagen“, findet Raffeiner, „aber wir tun zumindest etwas dagegen.“
Ein Schaf wird zweimal jährlich geschoren: im Frühjahr und im Herbst. Um die Schafzüchter zum Abgeben der Wolle zu motivieren, hat sich die Wollmanufaktur ein Gutscheinsystem ausgedacht: Züchter, die ihre Wolle abliefern, erhalten Coupons, um im angeschlossenen Geschäft einzukaufen. Hier ist die Auswahl an Wollprodukten riesig: Taschen, Beutel, Rucksäcke, Flaschenkühler, Teppiche, Jacken, Westen, Kissen, Sitzunterlagen, Decken, Mützen, Schals, sogar Stiefel und Bettmatratzen – alles komplett aus Schafwolle gibt es zu kaufen, vieles in leuchtenden Farben.

Alles was das Herz begehrt aus Wolle und in leuchtenden Farben: Verkaufsraum der Wollmanufaktur
Ein Original im Ultental sind auch Veit und Rita Comploj: Das Ehepaar, er Tischler, sie Lehrerin, hat sich einen Traum erfüllt: 2017 haben sie das Gasthaus Bad Überwasser gekauft. Das altehrwürdige Holzhaus, etwas abseits von St. Walburg wunderschön an einem Bach gelegen, hatte schon bessere Zeiten gesehen. Die Complojs renovierten während der Covid-Zeit und empfangen ihre Gäste heute in einem wirklich einzigartigen Refugium.
Das Gaststube ist urig, die Speisen natürlich mit regionalen Zutaten und Kräutern rund ums Haus bereitet, die Rezepte aus altehrwürdiger Zeit (unbedingt Spinat- und/oder Käseknödel probieren).
Im komplett originalgetreuen, denkmalgeschützten Holzhaus kann man auch übernachten: Es gibt drei Suiten, je 120 Quadratmeter groß, pro Gast für 110 Euro/Nacht inclusive Frühstück. „Unsere Gäste sagen dann häufig zu mir, sie fühlten sich, als hätten sie in einem Baum geschlafen“, erzählt Rita Comploj.


Rita und Veit Comploj vor ihrem einzigartigen Refugium: das dreietagige komplette Holzhaus Bad Überwasser. WLAN gibt es nicht, dafür alles, was die Natur bietet inclusive drei Trinkquellen
Einzigartige Wasserkarte in Bad Überwasser: das frische Nass kommt direkt aus der Eisen-, Magnesium- oder Kalziumquelle vor dem Haus

Das ist doch mal ne Suite – sie dürfte in der Form einmalig in der Welt sein: 120 Quadratmeter auf zwei Etagen komplett aus Holz und mit jeglichem Komfort im originalgetreuen, denkmalgeschützen Holzhaus Bad Überwasser
Es gibt keine Autos, dafür plätschert der Bach. Und direkt am großen dreistöckigen Holzhaus entspringen bereits seit 1423 drei Quellen: Eisen, Magnesium, Kalzium. So bietet das Gasthaus Bad Überwasser seinen Gästen auch eine einzigartige Wasserkarte, die in dieser Form ihresgleichen sucht. Gäste können Wasserkuren machen, im Kneippbecken laufen, spazieren gehen, ein Baderitual anno 1876 oder eine „Waldtherapie“ genießen.
Was es nicht gibt: WLAN. „Wir haben uns bewusst dagegen entschieden“, sagen die Complojs übereinstimmend. "Das passt einfach nicht zu unserem altehrwürdigen Haus." Einmal waren Gäste aus Japan darüber sehr verunsichert, inzwischen kommen sie jedes Jahr hierher zurück. Überhaupt kommen Ruhesuchende aus aller Welt: natürlich aus Deutschland, aber ebenso aus Südafrika, Amerika, Arabien „und vor dem Krieg sogar aus Weißrussland und Russland“, berichtet Rita. Ein zentrales Buchungssystem gibt es nicht. „Am besten ist noch die Mundpropaganda. Unsere Gäste rufen einfach an oder schreiben eine Mail“, sagt Veit Comploj.
Der Gasthof Bad Überwasser steht mit seinem Konzept für das typische Ultental. „Wir möchten kulturelles Erbe vermitteln und einmalige historische Werte für die Nachwelt erhalten. So ein Haus gibt es doch nicht wieder“, sagen die Comploj zum Abschied. Und weil der Gast nie ohne ein kleines Geschenk geht, überreicht Rita diesmal eine Dose mit Eisenpulver. „Habe ich selbst aus der Eisenquelle gefiltert. Das Pulver kann mit mit neutraler Creme mischen. Es hat einen wunderbar heilenden Effekt für die Haut.“

Die Staumauer Zoggler hat ein Leck. Bevor es repariert werden kann, muss das gesamte Wasser kontrolliert abgelassen werden
Der Wanderweg am Stausee musste über mehrere Hundert Meter künstlich überbrückt werden. Die Konstruktion dafür ist ein Hingucker

Während wir durchs Ultental entlang des Zoggler-Stausees spazieren, wundern wir uns über den niedrigen Wasserstand. Denn auch in diesem Jahr gab und gibt es wieder ausreichend Regenfälle im Ultental. „Die Staumauer hat ein Leck, wir müssen das gesamte Wasser kontrolliert ablassen“, erzählt Anna Rainer. Das geht relativ zügig, was auf die Größe des Lecks am Fuße der Staumauer schließen lässt. Immerhin fasst der 66 Meter hohe Staudamm 33,1 Millionen Kubikmeter Wasser. Die Dammkrone ist 516 Meter lang. „Erst wenn alles Wasser abgeflossen ist, können sich die Profis ein Bild von der Lage machen und reparieren“, so Rainer. Die Menschen im Ultental sind bodenständig und heimatverbunden, „verschlafen“ sind sie nicht. Gibt es ein Problem, wird es rasch gelöst, und sei es an einer großen Staumauer.
Abends besuchen wir den „Eggwirt“: Das Gasthaus an der Ecke wird von Roland Schwienbacher geführt. Es ist über 600 Jahre alt und damit das älteste Gasthaus in der Region. „Früher mussten Übernachtungsgäste Zündhölzer und Zigaretten vor dem Schlafengehen abgeben, damit keine Gefahr für das Holzhaus besteht. War auch besser so, wenn sie getrunken hatten“, findet Schwienbacher. 50 Betten in 25 Zimmern und eine Ferienwohnung bietet er an. Die Einrichtung ist von 1611. „Damals waren Händler und Baedeker häufige Gäste, heute kommen viele Familien. Und inzwischen schon wieder die Kinder von damals mit ihren Kindern heute“, beschreibt Schwienbacher, der in der vierten Generation den Eggwirt betreibt. Auch hier sind 90 Prozent Stammgäste, allerdings ändert sich der Zeitgeist. „Viele bleiben nicht mehr 14 Tage wie früher, sondern kürzer.“ Roland ist 72, topfit steht er jeden Abend in Gastraum und Küche, verwöhnt und bedient seine Gäste. Zwölf Angestellte unterstützen ihn, die Tochter überlegt, das Haus zu übernehmen. 79 bis 114 Euro kostet die Übernachtung pro Person und Nacht. Dafür schläft man in einem europaweit einmaligen Gasthaus mit reicher Tradition.
Fünf Dörfer gibt es im Ultental: St. Pankraz, St. Walburg, St. Nikolaus, St. Gertraud und Proveis. Ein Bus verbindet sie halbstündlich untereinander und mit der nächsten Stadt, Meran. Der Waldbestand im Ultental ist mit 12.274 Hektar enorm. Allein die täglich nachwachsende Holzmenge reicht für den Bau eines Ultner Holzhauses. 25.000 Kubikmeter werden jährlich geschlagen. die Wälder sind akkurat bewirtschaftet. 715 Haushalte heizen ausschließlich mit Holz und sparen so jährlich 1.431.250 Liter Heizöl ein. Ebenso reich ist das Ultental an Wasser: Es gibt 44 Seen, davon sechs Stauseen. Die Trinkwasserqualität „aus dem Hahn“ ist exzellent.

Die Schwemmalmbahn verbindet seit 2008 das Ultental mit der Äußeren Schwemmalm. Sie überwindet in zehn Minuten 1.012 Meter Höhenunterschied

Auch für großen Ansturm gerüstet: Berggasthof Schwemmalm mit Hüttenwirt Christian Leitner. Stammgäste erhalten zum Abschied einen hausgemachten Enzian-Schnaps

Am nächsten Morgen geht es mit der Schwemmalmbahn in luftige Höhen. Sie wurde 2008 nach heftigen Diskussionen erbaut, fährt rund zehn Minuten und überwindet 1.012 Meter Höhenunterschied. Das Ultental besitzt 40 Almen, unser Ziel ist die „Äussere Schwemmalm“. Sie liegt auf 2.100 Meter Höhe. Christian Leitner bewirtschaftet hier das Gasthaus ganzjährig. Höhepunkt ist die Wintersaison alljährlich vom 6. Dezember bis 12. April. Aber auch jetzt im Sommer, sind viele Wanderer unterwegs, die gern bei Leitner und seinem Team einkehren. Natürlich gibt es auch hier wieder die typischen Ultner Speisen, und natürlich kauft auch Leitner seine Lebensmittel nur im Tal. Den Käse produziert er gleich selbst (unbedingt den "Aschekäse" aus dem Vorjahr probieren). 350 Sitzplätze (innen und außen) bietet sein Restaurant direkt an der Bergstation der Kabinenbahn. „Im Winter sind alle Plätze am Tag zwei- oder gar dreifach belegt“, sagt Leitner. Gerade kommen wieder mehrere Wandergruppen gleichzeitig ins Lokal. Der 38-Jährige bleibt cool: „Wir sehen ja, wieviel Gäste morgens und vormittags mit der Gondel raufkommen. Dann wissen wir ungefähr, wie der Andrang mittags bei uns sein wird und können uns darauf einstellen.“
Im Winter gehört das Schwemmalm-Skigebiet im Ultental zu den schneesichersten in Südtirol. Mit etwas Glück sind man Ski-Weltstar Dominik Paris in seinem Heimatgebiet und kann ihm bei Training zuschauen. Jetzt, in Juni aber, wandern wir bergab: zur „Inneren Schwemmalm“ auf 1.700 Meter Höhe. Hier betreibt Thomas Berger den Unterschweighof. Der 26-Jährige wohnt mit Freundin, kleinem Kind und Eltern auf dem Hof. Gerade hat er ihn von seinen Eltern übernommen. Acht Kühe haben sie hier, deren Milch zu Käse, Butter, Joghurt und Frischkäse verarbeitet wird. Es gibt sieben Hektar Wiese, der Unterschweighof ist biologisch bewirtschaftet. Es gibt Schweine, Hühner, Katzen, Enten, Ponys – fröhliches Tierleben. Das zieht gerade Familien mit Kindern an. Die vier Ferienwohnungen sind sommers und winters gut gebucht.
Die kleinen Wohnungen kosten je 90 bis 120 Euro pro Nacht, die großen 120 Euro. „Die Ferienwohnungen werfen mehr Rendite ab als der Hof“, plaudert Berger aus dem Nähkästchen. „Wir können mit den Einnahmen der Urlauber unsere Hofproduktion besser organisieren.“ Es macht nachdenklich, dass gesunde Lebensmittelproduktion finanziell so schwer ist, aber gehört eben zur Wahrheit. Und wie findet er seine Urlauber hier oben auf der Alm? „Wir haben inzwischen viele Stammgäste durch Mundpropaganda. Und viele kommen auch über den ´Roten Hahn`“. Das Buchungsportal ist besonders in Südtirol bekannt.

Der Unterschweighof auf 1.700 Meter zählt zu den höchtstgelenenen im Ultental. Der 26-jährige Besitzer Thomas Berger hat den Hof kürzlich erst von seinen Eltern übernommen, die ihn weiterhin unterstützen. Die Familie vermietet vier Ferienwohnungen



Glückliches Tierleben: Außer Rindern und Katzen gibt es noch Schweine, Hühner, Enten und Ponys
Übrigens: Das kurioseste Bauwerk in ganz Südtirol steht auch im Ultental, in St. Pankraz. Das „Häuserl am Stein“ gibt es seit 1882. Gebaut wurde es allerdings viele Jahrhunderte früher, gehörte es doch zu einer kleinen, frühzeitlichen Handwerkersiedlung. Die bestand aus einem Weber, einer Schmiede, einer Mühle und einem kleinen Sägewerk. Die gesamte Siedlung fiel 1882 einem Hochwasser zum Opfer. Nur das „Häuserl am Stein“ hielt zur Verblüffung der Ultentaler stand. Und erst jetzt entdeckten sie, dass es direkt auf und an einem riesigen Stein erbaut worden war. Glück und Unglück! Bis heute steht das „Häuserl am Stein“ mutig auf dem Felsen und trotzt den Zeiten.

"Häuserl am Stein": Gebaut vor vielen Jahrhunderten waren die Ultentaler nach einem verheerenden Hochwasser 1882 verblüfft, dass genau ein Haus der Siedlung den Fluten trotzte. Erst da erkannten sie, dass gerade dieses direkt an einem großen Felsen gebaut war
Im Ultental gibt es viele mutige Macher. Zu ihnen gehören auch Michael Laimer (36) und Elisabeth Garber. Sie haben ein alten Berggasthof übernommen. Das „Helener Pichl“ liegt ruhig auf einer sonnigen Waldlichtung in 1.550 Meter Höhe oberhalb von St. Pankreas. In der Nähe steht die Kirche St. Helena. Das Haus verfügt über sieben Zimmer, nur zum Teil mit Balkon und Dusche. Laimer war viele Jahre Gourmetkoch in Fünf-Sterne-Hotels der Welt. Hier im Ultental kehrt er zurück zu seinen Wurzeln: „Wir kochen nur mit regionalen Lebensmitteln und das nur mit Holz. Gas gibt es hier oben nicht.“ Für Außenstehende ist es eine wahre Kunst, ein Gourmetmenü auch für größere Gruppen von bis zu 40 Personen, ausschließlich auf einem kleinen Holzherd punktgenau zuzubereiten. Für Michael Laimer ist das liebgewordener Alltag. „Wir wollen unsere Besucher mit guter regionaler Küche verwöhnen.“ Seine Partnerin ist Grundschullehrerin, kümmert sich hier oben um Gäste, Zimmer und Reservierungen. „Wir haben noch Einiges zu tun, teils gibt es nur Etagen-Dusche oder -WC“, erklärt Garber. Dennoch: Das Haus ist bereits gut gebucht. Wer einmal an diesem fast magischen Ort war, kommt gern wieder.



Mutmacher: Michael Laimer und Elisabeth Garber haben den alten Berggasthof "Helener Pichl" gekauft. Der Gourmetkoch bereitet seine Speisen ausschließlich auf einem Holzofen zu – in ausgezeichneter Qualität und gern auch für größere Gruppen. Die Grundschullehrerin kümmert sich um Gäste, Zimmer und Reservierungen
Pfarrkirche St. Helena: 1338 erstmals urkundlich erwähnt, seither mehrfach umgebaut. Sie verfügt über einen Seitenaltar mit prachtvollen Barock-Statuen

Jetzt aber schnell zu Hannes Schwienbacher und dem Ultener Brot. Denn das ist mittlerweile europaweit berühmt. „Seit meine Urgroßmutter die Bäckerei 1919 eröffnete, züchten wir unseren Natursauerteig selbst“, sagt Schwienbacher stolz. Fast alle Produkte werden noch von Hand gefertigt. 55 Mitarbeiter hat Schwienbacher inzwischen. Sie erhalten beste Traditionen, backen Brote, Brötchen, Kuchen und Gebäck von höchster Qualität. Denn sie verwenden ausschließlich Bio-Rohstoffe. In Deutschland ist Ultener Brot in Edeka- und Rewe-Märkten erhältlich, das sogenannte Schüttelbrot auch in Alnatura- und tegut-Märkten.
Und wie wurde das Brot nun europaweit berühmt? Die in Bozen ansässige Fluggesellschaft Skyalps nutzt Ultener Brot seit Jahren für ihren kostenlosen(!) Bordservice als Markenbotschafter für Südtirol. „Skyalps suchte Sponsoren. Im ersten Moment habe ich abgesagt, weil ich dachte, wir sind zu klein für diese Mengen. Aber die Luftfahrer blieben hartnäckig,“ erzählt Schwienbacher. So startete er 2022 mit 10.000 Brotpackungen pro Flugsaison. Die Fluggäste waren begeistert, inzwischen werden jährlich 20.-30.000 Packungen über den Wolken geliefert. Und längst nicht mehr nur Schüttelbrot. Was darüber hinausgeht, wird bezahlt. Schwienbacher erhält im Gegenzug eine Werbeseite im Bordmagazin, eine große Werbefläche am Airport Bozen und – er darf frei fliegen. „So viel geflogen wie in der vergangenen Jahren bin ich noch nie“, sagt er verschmitzt.


In der Backstube vom Ultener Brot, inzwischen Markenbotschafter für Südtirol bei Skyalps. Eigentümer Hannes Schwienbacher produziert mit 55 Mitarbeitern in vierter Generation
Das funktioniert deshalb gut, weil Skyalps inzwischen ein respektables Streckennetz ab Bozen betreibt. 20 Städte in Europa werden schon direkt angeflogen, im Winter u.a. London, Antwerpen, Kopenhagen, Billund, Göteborg, Berlin, Hamburg, Düsseldorf. Im Sommer dann auch Hannover, Kassel, Brac, Kefalonia, Korfu, Ibiza, Menorca, Brindisi, Cagliari, Catania, Lamezia Therme und Olbia. In Italien werden Rom (täglich), Mailand, Crotone und Ancona bedient.
Die Flotte besteht aus Dash-8 Q-400-Flugzeugen mit Propellerantrieb und 76 Sitzen. Gestartet mit zwei Maschinen 2021, besteht die SkyAlps-Flotte heute aus acht Fliegern. Mit 2,3 Litern pro Passagier und 100 geflogenen Kilometern sparen die Dash-8 Q-400 im Vergleich zu anderen Regionaljets bis zu 50 Prozent an Emissionen. Zudem verursachen sie weniger Lärm bei Start und Landung. An Bord erhaltern alle Passagiere Südtiroler Köstlichkeiten – vom Schüttelbrot bis hin zu Südtiroler Qualitätsweinen mit monatlich wechselnder Weinkarte. Der Bordservice ist im Ticketpreis enthalten! Wo gibt es das heute noch ...

Skyalps verbindet Bozen inzwischen mit 20 Städten Europas direkt


Bozen Airport. Anflug und Start sind wegen der Bergketten nur aus Richtung Süden möglich. Die kleinen modernen Turbupropellermaschinen mit maximal 76 Plätzen sind dafür bestens geeignet
Am Ende dieser Reise fragt man sich zwangsläufig, woher der Name Ultental kommt? "Italienisch heißt Ultental `das letzte Tal´. Rätoromanisch bedeutet es düster und geheimnisvoll“, weiß Roland Schaffler. Die Beschreibungen treffen nur bedingt die Wirklichkeit. Das Ultental ist modern auf seine Weise. Dazu hell und freundlich, mit engagierten Machern. Anna Rainer weiß: „Auch wenn die meisten Gäste im Winter und Sommer kommen: Die schönste Zeit bei uns ist der Herbst. Dann kommt alles zur Ruhe, wir haben tolle Farben, eine spektakuläre Weitsicht und klarste Luft.“ (Juni 2025)
Informationen und Buchungen:
https://www.merano-suedtirol.it/de/ultental.html
Anreise:
Flug: direkt nach Bozen mit Skyalps, dann Mietwagen
Bahn: Meran über Bozen, dann halbstündlich Bus ins Ultental
PKW: Brennerautobahn bis Bozen, weiter über Lana ins Ultental
Weitere Unterkünfte und Produkte:
https://www.eggwirt.it/geschichte.html
Helener Pichl per Mail: laimermichaelll@gmail.com
Küche und Genuss: