Teuer, teurer, Schweiz?
Nicht mit Reka!
Die "Reisekasse" ist in der Alpenrepublik bereits seit 1939 eine Institution.
In Deutschland kennen sie nur wenige. Sollte man aber. Denn mit Reka gibt es
auch für Ausländer preiswerten Urlaub und "Ferien für alle Generationen"
Von Fred Hafner
Bergün. Beginnen wir ausnahmsweise einmal mit dem einzig Unerfreulichen bei Reisen in die Schweiz, dann haben wir es hinter uns: Urlaub in der Alpenrepublik ist teuer. Das bestätigen (und spüren) selbst die offiziellen Tourismusvermarkter des Landes. Ein paar Fakten: Zu D-Mark-Zeiten (also bis 2001) zahlte man rund 1,20 DM für einen Schweizer Franken. Heute gilt fast schon wieder Parität zum Euro. Das bedeutet: Der Wert des Frankens hat sich in gut 20 Jahren nahezu verdoppelt, die Kaufkraft für Deutsche in der Schweiz fast halbiert.
Und nun zum Erfreulichen: Der Teuerung in der Schweiz können Besucher unseres – wirklich schönen – Nachbarlandes ein Schnippchen schlagen. Das Zauberwort heißt „Reka“. Sie wissen nicht, was das ist? Keine Sorge, das geht fast allen Deutschen so. Reka steht für Reisekasse. In der Schweiz kennt jeder "die Reka". Sie ist eine Institution dort – nicht einfach nur ein Unternehmen. Reka hat seinen Hauptsitz in Bern. Vor allem aber: Reka ist in dieser Form einzigartig in der Welt!
Ein Traum von einem Schweizer Bergdorf: Bergün in Graubünden liegt direkt an der UNESCO-Welterbestrecke Albulabahn und vermarktet sich erfolgreich als "Bahndorf". Auch wegen der alljährlichen winterlichen "Schlittelbahn" Preda-Bergün ist der Ort längst weltbekannt – aber dabei immer ursprünglich und traditionell geblieben
Die Reka ist zunächst einmal eine Genossenschaft, die nicht profitorientiert arbeitet. Sie ist die bedeutendste Vereinigung für sozialen Tourismus in der Schweiz. Und führende Vermieterin von Ferienwohnungen für Familien in der Alpenrepublik.
„Ferien und Freizeit für alle zu ermöglichen“ – diese Vision ist heute noch dieselbe wie 1939, als Reka gegründet wurde. Die Genossenschaftler bestehen aus Unternehmen, Arbeitnehmerverbänden, sogenannten "anderen Leistungsträgern" sowie vielen Organisationen aus Verkehr und Tourismus. Das Besondere: Alle Eigentümer verzichten auf eine Rendite ihrer Anteile – zugunsten des Non-Profit-Zwecks der Gesellschaft. Mehr als eine Million Übernachtungen werden jährlich bei der Reka gebucht!
Nun aber das Beste: Reka ist KEIN Ferienclub, den etwa nur Mitglieder nutzen dürften. Die Unterkünfte der Schweizer Reisekasse stehen allen Interessierten offen, auch Ausländern. Man muss es eben nur wissen …
Reka-Feriendorf Bergün: Eine von vielen Attraktionen für Kinder (und Erwachsene) ist die Kleinbahn Rekalino.
Sie fährt einmal um die gesamte Anlage. Am Bahnübergang stauen sich derweil die Bobbycars. Sie stehen allen Kindern kostenlos zur Verfügung
Ein ehemaliger Reisezugwagen der Rhätischen Bahn, der "Staatsbahn" Graubündens, wurde komplett aufgearbeitet, ins Rekadorf verbracht und neu eingerichtet. Jetzt dient er als gern und oft genutztes Spielzimmer für die Ferienkinder in Bergün
Sportangebote gibt es reichlich und für Groß und Klein im Feriendorf: eine Minigolf-Anlage, ein Fußball- und ein Volleyballfeld
Es gibt derzeit zwölf Reka-Feriendörfer in der Schweiz. Dazu mehr als 1.200 Ferienwohnungen in der Schweiz und im Ausland (wobei letztere für uns Ausländer weniger interessant sein dürften). Die Feriendörfer sind besonders für Familien mit Kindern geeignet. Aber nicht nur: vor allem in der Zeit zwischen den offiziellen Schulferien finden auch Singles, Paare, Senioren oder Gruppen Ruhe und Erholung. Etwa beim Wandern, Skifahren, Langlaufen oder Biken. Man kann Ferien mit der Familie, mit den Großeltern, mit Teens, mit Kids, mit Hund oder mit der Sportgruppe buchen. „Es ist ganz einfach: Wir bieten Ferien für alle Generationen und alle Konstellationen“, sagt Julia Scheidegger, Medien-Verantwortliche am Reka-Stammsitz in Bern.
Sieben Reka-Feriendörfer tragen das Zertifikat Swiss Bike Hotels. Vielerorts profitiert der Gast zusätzlich von Vergünstigungen bei den lokalen Bahnen und Bergbahnen. Auch Wellnessferien gibt es: Sechs Feriendörfer bieten eigene Wellness-Anlagen mit Private Spa, Wellnessoase, Massagen, 500 Quadratmeter-Erlebnisbad oder einfach nur Sauna. Alle Reka-Feriendörfer sind gut mit dem öffentlichen Verkehr (Zug oder Schweizer Postbus) zu erreichen, auf Wunsch auch mit dem bequemen Gepäckservice der Schweizerischen Bundesbahnen(SBB).
Mit der modernen Zügen der Rhätischen Bahn, hier am Bahnhof Filisur, gehts nach Bergün und weiter nach St. Moritz. Dem Lokführer kann man dabei über die Schulter schauen ...
Ruedi und Marlies Sidler leiten das Reka-Feriendorf Bergün seit mehr als 18 Jahren. Sie leben mit ihren drei Kindern seit dieser Zeit selbst in der Anlage, sind zufrieden: "Wir konnten uns hier etwas aufbauen."
Bereits die Anreise nach Bergün ist beeindruckend – dank der UNESCO-Welterbestrecke Albulabahn. Hier das berühmte Landwasser-Viadukt im späten Abendlicht. Es mündet direkt in eine Felswand
Zum Beispiel in Bergün: Das „Bahndorf“, wie es sich selbst bewirbt, ist weit über die Schweiz hinaus berühmt. Einmal für sein „Winterschlitteln“. Dafür wird Jahr für Jahr die sieben Kilometer lange, ständig bergab führende Straße von Preda nach Bergün monatelang gesperrt und extra für Schlittenfahrten präpariert. Und dann ist Bergün natürlich Ausgangs- oder Streckenpunkt für viele (Sehnsuchts-) Bahnfahrten und Orte in der Schweiz: Bernina-Express, Glacier-Express, Davos, St. Moritz, Pontresina, das Tessin mit Tirano und Lugano.
Auch im Reka-Feriendorf Bergün ist alles auf Ferien mit Kindern ausgerichtet. In vier Häusern gibt es hier 33 Ferienwohnungen mit 160 Betten. Marlies und Ruedi Sidler leiten die Anlage seit mehr als 18 Jahren. Die Reka hat in dieser Zeit umfassend in Bergün investiert und die Anlage einmal komplett modernisiert. „Wir konnten uns hier etwas aufbauen und mitgestalten“, sagt Marlies Sidler sichtlich stolz. Das engagierte Ehepaar wohnt mit seinen drei Kindern seit den fast 20 Jahren direkt in der Anlage – auch das ist einmalig unter den Reka-Feriendörfern.
Am Bahnhof Bergün steht das Bahnmuseum Albula. Der Bahnerlebnisweg ist detailliert und mit vielen Schautafeln zu Geschichte und Topografie beschreiben
Wohin geht's heute? Die Zahl der Wanderwege ist groß
Jedes Reka-Feriendorf hat sein eigenes Motto, mit dem es sich vermarktet. Hier im Herzen Graubündens und im „Bahndorf Bergün“ betreibt Reka ihr Feriendorf natürlich unter dem Thema „Bahn“. „Bei uns gibt es gleich drei Besonderheiten“, erzählt Ruedi Sidler: „Wir haben einen alten Eisenbahnwagen der Rhätische Bahn geholt, hier in der Anlage aufgestellt, renoviert und ihn innen zum Kinderspielzentrum umgestaltet. Wir haben in den Außenanlagen eine Kleinbahn - unseren Rekalino – aufgebaut, mit der unsere Gäste zum fairen Preis von 1,50 Franken um das Feriendorf fahren können. Und: Wir geben unseren Gästen von Mitte März bis Oktober jeweils kostenlos einen Bahnpass für die gesamte Rhätische Bahn in Graubünden dazu.“ Damit wird jeder Besucher nach seiner Fasson glücklich: Bahnfans fahren den ganzen Tag lang mit der Rhätische Bahn durch Graubünden, Wellness- und Sportliebhaber genießen Schwimmhalle, Sauna und Sportangebote. Die Kinder fahren Kleinbahn Rekalino, nutzen die zahlreichen kostenlosen Bobby-Cars auf dem Gelände oder spielen im Eisenbahnwaggon. Abends sind alle wieder fröhlich in der geräumigen Ferienwohnung vereint.
Denn die Ferienwohnungen sind wirklich bestens ausgerüstet: es gibt eine komplett eingerichtete Küche, ein Wohnzimmer, teils mehrere Bäder und Schlafzimmer, Balkon. Von jedem genutzt werden können außer Schwimmhalle, Kinderplanschbecken, Massagen und Sauna auch Grillplatz, großer Garten mit Kinderspielplatz, Minigolf-Anlage, Tischtennis, Billard, Bibliothek, Waschmaschine. Von Mai bis Oktober findet einmal wöchentlich ein sogenannter „Geissenspaziergang“ statt. Er erfreut sich bei Kindern (und Erwachsenen!) großer Beliebtheit.
In den Wohnungen findet man – oft im Gegensatz zu privat vermittelten Unterkünften –wirklich ALLES für einen unbeschwerten Urlaub. Töpfe in allen Größen, ausreichend Besteck, scharfe Messer, Schüsseln, ein paar Gewürze, selbst Utensilien zum Putzen und Geschirrspültabs sind vorhanden. Für Kinder kann man Hochsitze, Wickelauflage, Plastikgeschirr u. a. kindgerechtes kostenlos ausleihen.
Trinkwasserbrunnen sind sehr nützlich und vielerorts noch üblich in der Schweiz: an vielen Bahnhöfen, in urigen Dörfern. Natürlich verfügt auch das Reka-Feriendorf Bergün über einen eigenen Wasserspender
„60 Prozent unserer Gäste reisen mit der Bahn, 40 Prozent mit dem Auto an“ berichtet Ruedi. Seitdem der Parkplatz sieben Franken täglich kostet, haben Bahnanreisen zugenommen, beobachten die Sidlers …
Vier von fünf Gästen in Bergün sind Schweizer, danach kommen anteilsmäßig Deutsche, dann Holländer, Engländer, Italiener, Ungarn, Polen, Tschechen, Slowaken. „In dieser Augustwoche haben wir Gäste aus sieben Nationen. Ich werde meine Führung durch die Anlage in englisch halten“, schmunzelt Ruedi.
Zwischen 800 und 1.600 Franken kostet eine Woche im Reka-Feriendorf Bergün, je nach Reisezeit. Ein Komfort-Apartment für vier Personen etwa war im August für 1.164 Franken zu erhalten. Das ist nicht teurer als Ferienwohnungen anderswo in Europa, nur dass man im Reka-Feriendorf jede Menge kostenlosen Zusatznutzen erhält, der anderswo extra zu zahlen wäre.
Bergün überrascht jeden Besucher mit seinen urigen Engadiner Häusern. Sie sind reichlich mit Fresken, Malereien und Erkern verziert.
Ein Trinkbrunnen darf auch im Dorf keineswegs fehlen
Das Kurhaus ist Hotel und eine Bergüner Institution
Bergün selbst ist eine Reise wert: Der Dorfkern überrascht jeden Besucher mit seinen malerischen Engadiner Häusern. Sie sind reichlich mit Fresken, Malereien und Erkern verziert. Dazu gibt es eine über 800 Jahre alte romanische Kirche sowie einen Römerturm. Im Sommer locken zahlreiche Wander- und Themenwege, so der „Bahnerlebnispfad“ Preda-Bergün. Die spektakuläre Albulabahn, nach dem gleichnamigen Gebirge benannt, windet sich zwischen beiden Orten 400 Höhenmeter hinauf bzw. hinab – über zahlreiche Brücken und Galerien sowie viele Kehrtunnel. Vom Wanderweg zwischen Preda und Bergün ist das Herzstück der spektakulären UNESCO-Welterbestrecke zu bestaunen. Große Schautafeln erklären die Zeit des Bahnbaus und die Topografie. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte: https://www.reiseblick.net/schweiz-weltrekord
Was für eine Landschaft: Zug der Rhätischen Bahn auf dem Weg zur höchsten offenen Alpenüberquerung am Bernina Pass kurz vor der Stadtion Ospizio Bernina – alles UNESCO-Welterbestrecke
Europas Wasserscheide am Bernina-Pass: Alles mit dem kostenlosen Bahnticket des Reka-Feriendorfes Bergün erreichbar
Die berühmte Kehrschleife von Brusio im weiteren Verlauf der Berninalinie im Tessin auf dem Weg nach Tirano. Wer mag, macht zuvor in St. Moritz Station
Übrigens: Wer die Reka-Preise weiter toppen möchte, bezahlt mit Reka-Geld. Denn auch das ist in Deutschland weitgehend unbekannt: Die Schweizer Reisekasse gibt sogar eine eigene Währung aus. Allein 2022 wurde diese im Wert von 478,1 Millionen Schweizer Franken verkauft. Schweizer erhalten dicke Prozente, zahlen beispielsweise über ihren Arbeitgeber für 3.000 Reka-Franken nur 2.400 Schweizer Franken ein. Das Freizeitgeld entspricht als Zahlungsmittel eins zu eins dem Schweizer Franken. Und ist für öffentliche Verkehrsmittel, Übernachtungen, Restaurants, Fitness-Abos und sogar fürs Tanken einsetzbar.
Hier gilt ebenso: Auch Ausländer können Reka-Geld erwerben. Sie erhalten dann zwar nicht 20 Prozent Ermäßigung, aber etwa drei Prozent sind allemal drin. Es gibt sogar eine Reka-Card für häufige Nutzungen. Denn wer einmal in den Reka-Ferien war, kommt meistens noch einmal wieder. (August 2023)
Infos:
https://www.myswitzerland.com
Anreise Bahn:
mit der DB/SBB über Basel, Zürich nach Chur, weiter mit der Rhätischen Bahn nach Bergün
Anreise Auto:
1. über Stuttgart/Ulm/München nach Lindau, weiter über Chur nach Bergün
2. über Basel, Zürich nach Chur, weiter nach Bergün
Anreise Flug:
über Zürich Flughafen, dann mit SBB über Zürich HB nach Chur, weiter mit der Rhätischen Bahn nach Bergün