Franken ist als Kultur- und Genussregion gefragt wie nie zuvor. Die Region bietet Premium-Urlaub in Deutschland – bleibt aber preislich attraktiv. Eine Rundreise durch die Fränkische Schweiz und das Obermain.Jura
Von Fred Hafner
Ebermannstadt/Lichtenfels. Gäbe es so etwas wie die offizielle Bundesliga deutscher Urlaubsgebiete, Franken gehörte neben Bayern, Nord- und Ostsee längst dazu. Der Tourismus boomt hier ohnegleichen: Mit 25,6 Millionen Übernachtungen 2023 wurde das Vor-Corona-Jahr 2019 um 252.613 Nächtigungen übertroffen. Durchweg alle 16 Urlaubsgebiete Frankens verzeichnen Zuwächse gegenüber 2022, fünf von ihnen sogar um mehr als 10 Prozent! 11,4 Milliarden Euro setzte der Tourismus 2023 in Franken um. Für 175.240 Menschen ist er Haupterwerbsquelle. Im Vergleich zu 2022 sind die Gästeankünfte um 11,9 Prozent auf insgesamt 10.613.773 gestiegen, bei den Übernachtungen beträgt das Plus 10,0 Prozent.
Warum Franken so boomt? Weil die Tourismusstruktur zur Freude der Gäste noch sehr authentisch geprägt ist. Die Gastwirtschaften, Pensionen und Hotels sind in Familienhand, große Ketten gibt es eher selten. Und die Bio-Lebensmittelproduzenten sind oft „Ein-Mann-Betriebe“, in denen wiederum Familienangehörige mithelfen. Diese Authentizität verbunden mit einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis zieht ständig mehr Besucher an. In den nächsten Jahren steht vielerorts ein Generationswechsel bevor. Er wird nicht überall geräuschlos vonstatten gehen. Einige Wirtschaften, Pensionen oder Hotels könnten mangels Nachfolge geschlossen werden. Allerdings: Auch hier bieten die Franken Lösungen: Die Tourismus-Verantwortlichen machen Besucher auf bisher unbekannte, oft sehr kleine, Orte aufmerksam und bieten ihnen dort besondere Erlebnisse. So manche Familie kommt dann Jahr für Jahr wieder.
Aber der Reihe nach: Die Fränkische Schweiz, im Städtedreieck Nürnberg-Bamberg-Bayreuth gelegen, verzeichnet weiterhin die höchste Brauereidichte pro Einwohner in ganz Deutschland. Es gibt 4.500 Kilometer Wanderwege, 8.000 km Radwege, Höhlen, Burgen, Burgruinen, Thermalbäder, Museen, viele Familienangebote, viele preiswerte Unterkünfte – und jede Menge Überraschungen.
Naturparke, wie hier im Großenoher Tal, bieten den Besuchern jede Menge Überraschungen: Ein Getränkekasten im Bach, an dem sich jeder "gegen eine kleine Spende" bedienen kann. Die Bank wartet auch schon. Und daneben toben gleich die "freilaufenden Kinder" ...
Der Naturpark Fränkische Schweiz – Frankenjura ist einer der größten Deutschlands. In Pottenstein/Kirchenbirkig gibt es ein Infozentrum. Man kann Klettern, Kanufahren, Wandern, Aussichtspunkte und -türme besteigen. Geotope besuchen. Christine Berner ist Naturpark-Rangerin. Wir laufen mit ihr durch das Großenoher Tal. „Naturpark-Ranger vermitteln zwischen Mensch und Natur. Wir wollen unseren Gästen und Einheimischen die Schätze und Besonderheiten unseres Naturparks nahebringen. Wir sensibilisieren und informieren sie, um das Gebiet des Naturparks zu schützen“, erklärt die junge Frau. Berner stellt ein wachsendes Interesse der Besucher für die Natur fest. Die Exkursionen sind gut gebucht, die Fragen der Gäste zahlreich. Aber auch hier ist es eine Gratwanderung. Und es ist Fingerspitzengefühl gefragt: „Wir wollen die Besucherzahlen sinnvoll lenken und müssen sie auch schon mal begrenzen, um unsere einzigartige Flora und Fauna zu schützen“, sagt Berner. Wichtig ist ihr allerdings auch, „die Landschaft nicht zu konservieren, sondern durch moderate Eingriffe zu erhalten.“
In Pretzfeld betreibt Johannes Haas seine „Pretzfelder Edelbrennerei“. Die Familie ist hier seit Jahrhunderten ansässig, die Kunst des Destillierens wird von Generation zu Generation weitergegeben. Sohn Tim Haas hat gerade seine Ausbildung zum Destillateur erfolgreich abgeschlossen. Tochter Emily kümmert sich ums Marketing. Der eigene Obstanbau sichert hochwertige Ausgangsstoffe, gleichzeitig werden Streuobstwiesen vor dem Verschwinden bewahrt. Besonders aromatische Obstsorten bleiben erhalten. Zum Brennen verwendet Haas Holz aus dem jährlichen Baumschnitt. Damit ist auch die Energiebilanz nachhaltig. Es gibt Geiste, Brände, Liköre, Konfitüren, Essig. Die Geiste sind von besonderer Qualität. Haas verwendet die 20ig-fache (!) Menge an Früchten im Vergleich zur gesetzlichen Vorgabe. Nur so kommt das fruchtige Aroma voll zur Geltung. Haas und seine Kollegen veranstalten einmal jährlich den „Tag der offenen Brennereien“, diesmal am 20. Oktober 2024. Und er hat im Vergleich zu manch anderen keine Nachwuchssorgen. Seine Tochter lässt sich gerade in die Brennkunst einweisen.
Wir übernachten im „Hotel zur Post" in Waischenfeld. Es ist seit 1851 in Familienbesitz und sehr gut gebucht. Es gibt Bierseminare, Weißwurstfrühschoppen, fränkische Küche und ein eigenes Fischwasser mit Bachforellen. Die Anziehungskraft auf Gäste und Urlauber ist enorm, das Haus mit immerhin 170 Betten in 90 Zimmern ist sehr gut gebucht. Auch hier in Waischenfeld ist der Generationswechsel bei vielen kleinen Betrieben und Geschäften ein Thema mit offenem Ende.
Am nächsten Tag besuchen wir „Bauer Hauer´s Highlandzucht“ in Plankenfels. Dahinter steckt eine GbR als Zwei-Mann-Unternehmen von Norbert Böhmer und Stephan Hauer. Aus anfänglich zwei Tieren ist inzwischen eine große Herde von 165 Rindern geworden, artgerecht im Bio-Weidebetrieb gehalten. Für die Nachzucht sorgt ein eigener stolzer Bulle. Die Kälber bleiben während der gesamten Aufzucht bei ihren Müttern. Im Panorama der Fränkischen Schweiz leben die Herden im Familienverband. Die Simmental-, Angus-, Zwerg-Zebu- und schottischen Hochlandrinder stehen ganzjährig im Freien. Sie genießen im Sommer auf weitläufigem Gelände frisches Gras und Kräuter, im Winter Unterstandsmöglichkeiten. Das hochwertige Fleisch vermarkten die beiden Eigentümer direkt im Hofladen, am Markt oder über ihren Webshop im gesamten Bundesgebiet. Der respektvolle Umgang mit dem Tier bis hin zu seinem letzten Gang sichert hochwertigste Fleischqualität. 52 bis 56 Schlachtungen gibt es jährlich, wöchentlich ein Tier. Das Problem: Mit Kulmbach gibt es nur noch einen Schlachthof in näherer Umgebung. Alle anderen mussten wegen steigender Auflagen schließen. Stephan Hauer kann und will seine Tiere nicht „bis nach Nürnberg“ zum Schlachten geben. Die lange, zeitaufwändige Fahrt würde die Tiere stressen, die Fleischqualität würde sinken. So bleibt nur die Hoffnung, dass Kulmbach noch länger durchhält. Ende offen. Böhmer und Hauer bieten Rinderleasing, Genussrechte und regelmäßig Steakverkostungen an. Einheimische und Besucher freut´s. Man sollte sich rechtzeitig anmelden. Der Andrang ist groß.
Wechsel von der Natur- und Genussregion Fränkische Schweiz ins nicht minder genussvolle Obermain.Jura: In Weismain am Markt hat Nicole Detsch kürzlich ihr Café „hej:thea“ eröffnet. Es zeigt und beweist, wie neue gastronomische Angebote im eher fleischlich-deftig geprägten Franken mehr und mehr Fuss fassen. Das Café mit schwedischem Flair bietet herzhafte Aufstriche, warme Brotkreationen, selbstgebackenen Kuchen, frische Waffeln sowie diverse Kaffee- und Teespezialitäten an. Detsch möchte „schwedisches Glücksgefühl mitten in Weismain“ einbringen. Natürlich gibt es auch ein Fleischgericht und fränkische Biere. Aber nach und nach bringt „hej:thea“ seine Gäste auf andere Geschmäcker.
In Loffeld betreibt Adelgunde Hagel ihren landwirtschaftlichen Betrieb mit schottischen Hochlandrindern und Hofladen. Sie ist Genussbotschafterin der Region und bietet Besuchern zahlreiche Projekte an, etwa Erlebnistouren oder das gern gebuchte Weidepicknick. Auch in Loffeld steigen die Gästezahlen stetig, auf 270 Einwohner kamen 2023 mehr als 10.000 Übernachtungen. Viele von ihnen besuchen Hagels Hofladen. Von klassischen und experimentellen Marmeladen und Gelees über süffige Liköre und traditionell eingelegtem Obst und Gemüse - hier trifft althergebrachte Machart auf modernen Geschmack. Der Hofladen bietet Liköre und -verkostungen, aber ebenso kreative Dekoideen von Türkränzen über Blumenarrangements bis zu originellen Holzdekos.
Adelgunde Hagel in ihrem Hofladen samt passendem Interieur. Sie ist Genussbotschafterin der Obermain-Jura. Schottische Hochlandrinder, biologisch gehalten natürlich. Hier kann man ein "Weidepicknick" buchen
Eine der vielen privaten Brauereien in Franken betreibt Markus Lippert in Lichtenfels. Sie ist eine von 30 allein in Obermain-Jura. Lippert war Informatiker, heute produziert er in seiner „Braumanufaktur Lippert“ 85.000 Liter Bier jährlich: Weiße, Sommerbier, Rauchbier, Helles. „Der Braugang dauert zwei Wochen, danach lagert unser Bier“, erklärt er. „Nach fünf bis sechs Wochen wird abgefüllt.“ Lippert bietet 30-minütige Brauereiführungen (9 Euro) und eintägige Brauereikurse (99 Euro) an. Auch hier: die Nachfrage von Einheimischen und Besuchern steigt ständig. Es gibt natürlich Bierverkostungen bei Lippert, dazu in der Region Bier-Wanderwege und in der Obermain-Therme sogar einen speziellen Bieraufguss. Und dann zeichnet die Braumanufaktur Lippert noch eine Besonderheit aus: alles geschieht in einem Raum, dem Gastraum: brauen, trinken, essen, genießen.
Markus Lippert erfüllte sich in Lichtenfels seinen Traum von einer eigenen Brauerei. Der frühere Informatiker braut 85.000 Liter Bier jährlich. Besonderheit: Alles findet in einem Raum statt – brauen, trinken, essen, staunen und genießen
Zu Abend essen wir im Restaurant „Ajo“. Mirjana und Michele Vacca zelebrieren in ihrem neuen Gourmet-Lokal in Bad Staffelstein ihre Leidenschaft für Rind und Wild. Gleich am Eingang thront ein mächtiger Dry-Age-Schrank, in dem Fleisch vom Rind, aber auch Wildschwein und Reh reifen. Der Italiener Michele wuchs in Sardinien auf, studierte Schiffstechnik. Ihn zog es nach Deutschland, er fängt als Eisverkäufer in Bad Staffelstein an, begegnet seiner großen Liebe Mirjana. Die waschechte Gastronomentochter wollte unbedingt im Metier bleiben, übernahm von ihren Eltern den „Zehntstadel“. Dann baut sie sich mit ihrem Mann ihr eigenes Restaurant auf. Im Dezember 2022 wird eröffnet, inzwischen hat das erfolgreiche Gastropaar 18 Mitarbeiter! Die werden auch benötigt, denn das Restaurant Ajo ist immer gut besucht, oft auch ausgebucht, selbst wochentags. Die Gäste sind nicht nur angetan, sie genießen die Fleischqualität und -zubereitung sowie das Interieur. Und selbst wenn Vacca übersetzt Kuh bedeutet: bei den Vaccas in Bad Staffelstein gibt es auch Fisch und Vegetarisches.
Jedes Stück Fleisch wird vor dem Braten in der Küche dem Gast am Tisch präsentiert. Mirjana Vacca und ihr Ehemann Michele zelebrieren in ihrem Restaurant "Ajo" ihre Leidenschaft für Rind und Wild. Fisch und Vegetarisches gibt´s auch
Überhaupt Bad Staffelstein: Heute ist die 12.000-Einwohner-Stadt im Obermain Jura vor allem durch ihre Therme bekannt. Deren Geschichte begann mit einem Wagnis. Denn 1976 setzten die Stadtoberen alles auf eine Karte. Ihren gesamten städtischen Jahresetat von damals fünf Millionen DM investierten sie in eine Tiefenbohrung, weil man heißes Thermalwasser tief unter der Stadt vermutete. Mit Erfolg: Am 2. Januar 1986 eröffnete die Therme, damals für 700 Besucher täglich ausgelegt. Heute sind es mehr als 1.700 Gäste am Tag. Neben der Therme liegt der Kurpark mit dem Brückentheater. Mit 65 Plätzen ist es das kleinste Frankens.
Berühmtester Sohn der Stadt ist Adam Ries (nicht Riese!), der große deutsche Rechenmeister (1492 bis 1559). In der Umgebung locken das Kloster Banz, die Wallfahrtsbasilika Vierzehnheiligen sowie der 539 Meter hohe Staffelberg, der wegen seiner Form an den Tafelberg in Kapstadt erinnert.
Rathaus von Bad Staffelstein, hier ums Eck ist Adam Ries geboren. Die Fußgängerzone der 12.000 Einwohner zählenden Stadt mit Fachwerksarchitektur
Wo heute eine moderne Therme steht, wurde noch 1976 in Bad Staffelstein so gebadet. Das Brückentheater in Bad Staffelstein neben dem Thermengelände ist mit 65 Plätzen das kleinste Frankens
Zum Abschied besuchen wir die Fischzucht Seehof von Familie Krappmann. Vater Dieter hatte sie 1969 gegründet. Heute wird das Unternehmen vom Sohn Alexander und Schwiegertochter Katharina Krappmann geführt. Beide bekamen 2023 auf dem Fischwirtschaftsgipfel in Hamburg den „Seafood Star 2023“ verliehen und wurden als „Bester Direktvermarkter Deutschlands“ ausgezeichnet. Damit holten sie die Auszeichnung nach zehn Jahren erstmals wieder nach Bayern. Im Seehof züchtet die Familie Krappmann Karpfen, Forelle, Saibling und Zander. Es gibt einen Fischladen, Veranstaltungen und natürlich können Gäste im Sommer Fisch im Freien, im Winter am Ofen genießen. „Einen online-Versand bieten wir bisher noch nicht, weil Fisch besondere Anforderungen an Frische und Verpackung stellt und wir den Verpackungsmüll scheuen“, begründet Alexander Krappmann. Aber er und seine Frau, Germanistin und 2021 in die Fischzucht mit eingestiegen, beobachten den Markt. „Es gibt inzwischen gute Verpackungslösungen“, sagt Katharina, „gut möglich, dass wir in ein paar Jahren auch versenden.“ Die Kunden würde es ganz sicher freuen.
Familie Krappmann erhielt für ihr Unternehmen "Fischzucht Seehof" bei Lichtenfels den "Seafood Star 2023" und wurde damit als "Bester Direktvermarkter Deutschlands" ausgezeichnet
Dieter Krappmann hatte 1969 die Fischzucht Seehof gegründet. Er arbeitet weiter und gern mit im Unternehmen. Schlachtreife Fische, frischer gehts nicht: Für einige von ihnen geht es in die Räucherkammer
Fazit: Egal, ob für einen spontanen Ausflug oder einen mehrtägigen Urlaub: Die Fränkische Schweiz und das Obermain.Jura kombinieren einzigartige Landschaften, kulturelle Besonderheiten, fränkische Genüsse und vielfältige Freizeitmöglichkeiten. Fast flächendeckend gibt es kleine oder Familienunternehmen. Große Ketten findet man so gut wie gar nicht. Preislich spielt Franken (zur Freude der Besucher noch) nicht in der Bundesliga deutscher Zielgebiete. Alles andere ist längst Premium-Urlaub in Deutschland. Es gibt also jede Menge gute Gründe für den Run auf Franken. (Juli 2024)
Infos und Buchung:
Anreise:
Bahn: über Nürnberg, Bamberg, Bayreuth – weiter mit Fahrrad oder Mietwagen
Auto: über die A 3, A9, A70, A73
Flugzeug: nach und von Airport Nürnberg