Jeder nach seiner Fasson
Usbekistan ist ein Schmelztiegel der Kulturen.
Die Neue Seidenstraße soll touristisch und wirtschaftlich Wohlstand bringen.
Was nicht in Reiseführern steht. Und wie ich mein erstes Erdbeben erlebte.
Kinder in Taschkent freuen sich aufs Navruz-Fest. Und schick gemacht haben sie sich dafür auch
Registan bei Nacht. Kein Zweifel: Der schönste Platz der Welt
„Nein, wir werden den Registan nicht schildern. In keiner Stadt der Welt kennen wir einen Platz mit so bunten, herrlichen Bauten wie den Registan von Samarkand. Basta. Unsere Augen trinken, was die Wimper hält, vom Registan, aber wir werden ihn nicht beschreiben.“ Egon Erwin Kisch (1885 - 1948), rasender Reporter.
Von Fred Hafner
Taschkent. Unter uns Wüste. Nichts als Wüste. Gelb, ocker, hellgrau. In der Dämmerung verwischen die Farben mehr und mehr. Und noch zwei Stunden Flugzeit bis Taschkent. Aber die Anreise in die usbekische Hauptstadt gestaltet sich sehr komfortabel. Dreimal pro Woche hebt ein nagelneuer Airbus A 321 der Usbekistan Airlines nonstop von Frankfurt a.M. nach Taschkent ab. Reisezeit 6,5 Stunden, Preis rund 500 Euro gesamt für hin- und zurück. Schon sind wir „mittendrin“ in Zentralasien.
1 Uhr nachts spektakulärer Anflug auf das hell erleuchtete Taschkent (Strompreis 2 Cent/KWh). Die Einreise ist dank Visafreiheit in wenigen Minuten erledigt. Die 3 Millionen Bewohner der usbekischen Hauptstadt sind stolz, in der größten Stadt Zentralasiens zu leben. „Mit über 2.000 Jahren ist Taschkent sogar älter als Samarkand“, betont Rachmatill, unser Reiseleiter, gleich zur Begrüßung. Er spricht fünf Sprachen fließend: usbekisch, tadschikisch, kirgisisch, russisch, englisch.
Usbekistan liegt im Herzen Zentralasiens, ist seit 1991 unabhängig. Es gilt als schönstes Land der sagenumwobenen Seidenstraße. Jahrhunderte lang blühte hier der Handel. Es kamen fremde Eroberer, Religionen und Kulturen. Von ihnen legen die Oasenstädte Samarkand, Buchara und Chiwa bis heute Zeugnis ab. Sie versetzen Besucher in die Welt der Märchen aus 1.001 Nacht. Zwischen einer Fülle antiker Monumente und orientalischer Architektur schlendern wir in den nächsten Tagen durch belebte Basare, schlürfen mit gastfreundlichen Einheimischen Tee in typischen Teehäusern, beobachten Handwerker bei ihrer Arbeit, feilschen beim Kauf handgeknüpfter Teppiche, aufwendig bestickter Stoffe, wunderschöner Miniaturbilder, handgemachter Puppen.
Drei Generationen in Usbekistan: stolz auf ihr Land, immer fröhlich gegenüber Besuchern
Zentralasien besteht aus fünf Ländern: Usbekistan, Kirgisistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kasachstan. Zentralasien gehört mit einer Fläche von knapp vier Millionen Quadratkilometern und rund 65 Millionen Einwohnern zu den am dünnsten besiedelten Regionen der Erde. Von den über 150 verschiedenen hier lebenden Ethnien stellen die Usbeken zahlenmäßig die größte Volksgruppe dar.
Das Navruz-Fest (übersetzt Frühlingsfest) ist das bedeutendste Ereignis in Usbekistan im gesamten Jahr. Gefeiert wird drei Tage lang, wobei der wichtigste Tag der 21. März ist. An diesem Tag finden überall im Land große Volksfeste statt. Freunden, Nachbarn und jedem Vorbeikommenden werden Köstlichkeiten angeboten
So wie diese Frauen kleiden sich alle Besucher sehr farbenfroh und geschmackvoll
Die Menschen singen und tanzen gemeinsam, essen Köstlichkeiten, genießen den Frühlingsanfang
Unbeeindruckt vom ganzen Festtreiben trainieren schon kleine Kinder ihren Geist – am Schachbrett
Mehrfach verweist Rachmatill darauf, dass sein Land gute Beziehungen zu Russland, zur EU, zu Amerika anstrebe und habe. Reiner Selbstschutz? Vielleicht. Ganz sicher aber wirtschaftliches Interesse. Usbekistan macht eine beeindruckende Entwicklung durch. Seit 2018 gilt Visafreiheit mit mehr als 100 Staaten der Erde. Baumwolle, Öl, Gas, Uran und Gold werden exportiert, Industriegüter eingeführt oder gleich vor Ort produziert. So hat Volkswagen gerade eine Caddy-Fabrik in Usbekistan eröffnet.
Auch wissenswert: Die EINE Seidenstraße gibt es nicht. Die sogenannte Grosse Seidenstraße bezeichnet ein System von Karawanenstraßen. Sie verbanden China mit den Ländern des Nahen Ostens und Europas. Ein bedeutender Teil davon führte durch Zentralasien. Samarkand, Buchara und Chiwa waren wichtige Städte dieser Seidenstraße(n), Taschkent lag eher am Rand. Die Seidenstraße(n) entstand als Handelsstraße im 3. Jahrhundert vor Christi und bestand bis ins 16. Jahrhundert. Es gab neben florierendem Handel, religiösem und kulturellem Austausch aber immer auch verheerende Kriege, Zerstörungen, Brände und Hungersnöte entlang der Seidenstraße.
Touristisch liegt es nahe, dass Usbekistan heute vor allem an die historische Seidenstraße anknüpft. Deren Zauber fasziniert Menschen nach wie vor. Die Geschichte des alten Orients bringt mehr Besucher als je zuvor ins Land. Kamen 2018 rund eine Millionen Touristen nach Usbekistan, waren es 2019 schon 6,8 Millionen! Dann kam Corona. 2022 besuchten bereits wieder 5,4 Millionen Menschen Usbekistan, unter ihnen (auch in Ermangelung anderer Reisemöglichkeiten) viele Russen. In diesem Jahr werden über 7 Millionen Touristen erwartet, schon 2024 sind 10 Millionen prognostiziert.
Viele Besucher – bei nur 33,4 Millionen Einwohnern. Die Infrastruktur passt sich an und wächst. In den Städten gibt es inzwischen Hotels aller Preiskategorien, dazu Hostels und Privatzimmer. Taschkent besitzt ein leistungsfähiges Metronetz, das ständig erweitert wird. Zwischen der Hauptstadt und Samarkand (2 h, 300 km) sowie Buchara (3,5 h, 600 km) verkehren Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ Talgo (Spanien) mit bis zu 230 km/h. 2024 sollen sie auch bis Chiwa fahren. Das Land ist mit vierspurigen Schnellstraßen überzogen. Deren Zustand ist allerdings vielfach sanierungsbedürftig.
Aber auch wirtschaftlich gibt es ein „zweites Leben“ der Seidenstraße. Vor allem China strebt danach. Das Reich der Mitte will über die Seidenstraße den zunehmenden Warenaustausch mit Europa schneller und kostengünstiger gestalten. Unter der Bezeichnung Neue Seidenstraße werden seit 2013 Projekte zum Auf- und Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastruktur-Netze zwischen der Volksrepublik China und über 60 weiteren Ländern Afrikas, Asiens und Europas zusammengefasst. Der Name ist in Anlehnung an die historische Seidenstraße gewählt. Die Neue Seidenstraße führt – größtenteils per Schiene – durch Zentralasien über Kasachstan und Usbekistan nach Europa. Enden soll sie an wichtigen Handelsplätzen wie beispielsweise Hamburg, Duisburg und Rotterdam. Eine südlichere Route soll über den Iran und die Türkei nach Europa führen. Bis 2049 ist die Fertigstellung avisiert.
Usbekistan ist ein islamisches Land, aber ein liberales. „Wer ein Glas Bier oder Wein bestellen möchte, kann das tun, jeder ist für sich und seine Gesundheit selbst verantwortlich“, sagt Rachmatill dann. Männer können sogar mehrere Frauen ehelichen, bis zu vier. Das ist zwar inzwischen gesetzlich verboten, wird aber weiter praktiziert. „Allerdings nur, wenn der Mann sie wirtschaftlich versorgen kann“, betont Rachmatill. Er „arbeitet gerade an seiner Zweitfrau“, wie er es nennt. Die Ehefrau und die Zweitfrau müssen natürlich zustimmen.
90 Prozent der Einwohner Usbekistans sind Muslime (Sunniten), 7 Prozent Christen. Noch heute leben 8.000 Deutsche ständig in dem Land. 1989 waren es einmal 30.000.
Straßen und Bürgersteige blitzblank, geputzt wird trotzdem
Überall im Land fällt die fast schon penible Sauberkeit auf. Kein Stück Papier auf der Straße, kein Graffiti, Zigarettenstummel sowieso nicht. Die breiten Straßen sind mit reichlich Grün versehen, überall sind Blumen gepflanzt, Rasenflächen und Hecken sauber gestutzt. Das Straßenbild ist bunt: Hyundai, Chrysler, General Motors, Volkswagen, BMW, Tesla, aber auch alte Lada, Wolga und Moskwitsch dominieren das Bild. Benzin kostet 60 Cent/Liter, eine Metrofahrt 10 Cent. Die Bahnhöfe gleichen teils schicken Palästen. Die Züge verkehren von 5 bis 24 Uhr. An den Eingängen werden die Taschen der Fahrgäste kurz nach gefährlichen Mitbringseln durchleuchtet. Das hat allerdings eher Symbolcharakter. Auch hier unten ist alles piekfein und sauber. Alle Bahnhöfe sind mit Personal besetzt. Nestara schiebt als Stationsaufsicht der Metro wie alle ihre Kolleginnen und Kollegen 12-Stunden-Schichten – immer von 6 bis 6, tags oder in der Nacht. „Ich arbeite seit sechs Jahren hier“, erzählt sie, „mir macht die Arbeit mit Menschen immer noch großen Spaß. Wir wechseln auch mal die Stationen, damit es nicht langweilig wird“, lacht die 37-Jährige. Nestara verdient rund 5 Mio usbekische Sum monatlich, das entspricht 450 Euro. Das ist ein Durchschnittsverdienst in Usbekistan. „Ich bin jetzt 37 Jahre jung, aber das hier ist ein Lebensjob“ sagt sie.
Palastähnliche Bahnhöfe, dichter Zugverkehr der Metro, viele Reisende. Und immer mittendrin mit rotem Käppi: Aufsicht Nestara
Wieder am Tageslicht, braust der Verkehr auf achtspurigen breiten Straßen an uns vorüber. Die sind oft an den Seiten mit Blumen bepflanzt oder gleich als schöne Alleen mit Bäumen begrünt. Daneben prägen auch Plattenbauten aus Sowjetzeiten das Stadtbild. Taschkent ist Ausgangs- und Endpunkt fast aller Usbekistan-Reisen. Hier vermischt sich das moderne mit dem traditionellen usbekischen Leben. Prachtvolle Regierungsanlagen im Zentrum, unzählige Springbrunnen, moderne Geschäfts- und Bürozentren, aber auch Zeugnisse alt-usbekischer Architektur machen das besondere Flair der Stadt aus. Zu den historischen Sehenswürdigkeiten gehören die aus dem 16. Jahrhundert stammenden Medressen (islamische Hochschule oder Koranschule einer Moschee) Kukeldash, Barak-Chan sowie der Hasti-Imom-Komplex. Er ist nach dem heiligen Iman benannt, der mehrere Moscheen, Medressen und ein Mausoleum umfasst.
Das Timuridenmuseum mit üppiger Pracht … aber auch die Gebetssäle in den Moscheen glänzen oftmals mit viel Gold.
Fünfmal täglich wird zum Gebet gerufen, die Zeiten ändern sich – je nach Sonnenstand. Die Gebetsuhr gibt exakt Auskunft
Unter mehr als 20 Museen der Stadt ist das Timuridenmuseum zu Ehren des zentralasiatischen Militärführers und Eroberers Amir Timur sehenswert. Dessen Reich reichte im 16. Jahrhundert bis Kiew und Istanbul. Und: Ein Besuch des Fernsehturms offenbart, wie grün Taschkent wirklich ist.
Hinweis: Details zu allen Sehenswürdigkeiten finden sich ausführlich in diversen Reiseführern (eine Empfehlung am Textende). Ich werde mich hier weiter an journalistischen Beobachtungen über Land und Leute halten.
Auf den Märkten der Stadt ist die Auswahl an Früchten, Nüssen, Gewürzen wirklich grandios. Aber nicht nur das: der gesamte Markt ist riesig. Er verlangt von Besuchern gute Orientierung. Ansonsten ist Verlaufen garantiert
Eine der bekanntesten Attraktionen Taschkents ist der Chorsu-Markt. Mit seiner Vielfalt an Früchten, Nüssen, Gewürzen, Textilien und Keramik „erschlägt“ er fast unsere Sinne. Und verwirrt sie: Etwa, wenn vom Vormittag übrig gebliebenes Hackfleisch nachmittags 16 Uhr weiter ungekühlt und in großen Fleischbergen zum Verkauf feil geboten wird.
Nationalgericht Plov: ein großer Kessel, Reis, Hammelfleisch, Gemüse – und sonst nix
Als Nationalgericht in Usbekistan gilt Plov: Es wird traditionell aus langkörnigem Reis, Zwiebeln, Brühe und Hammelfleisch zubereitet. Manchmal werden auch Fisch und/oder Möhren, Erbsen, Rosinen verwendet. Jede Region schwört auf ihr Rezept. Das Erfolgskonzept besteht aus Braten, Kochen und Garen in riesigen Kesseln – für 50 und mehr Personen. Es gibt den Mittags- und den Abendplov für Familien, den Morgenplov nur für Männer. Ganz ehrlich: Es schmeckt gut, aber nach sieben Tagen ist es auch genug. Generell ist die usbekische Küche sehr fleischlastig. Vegetarier sind hier bisher weithin unbekannt, kommen aber mit Salaten und Gemüse über die Runden.
Sehr repräsentativer Bahnhof von Taschkent, gemütliche Lounge im Hauptgebäude
Mit 230 km/h durch die Wüste
Am nächsten Morgen stehen wir am Hauptbahnhof von Taschkent. Heute geht es mit dem Hochgeschwindigkeitszug Afrosyb und bis zu 230 km/h durch die Wüste nach Samarkand. Der spanische Talgo-Zug bietet drei Klassen: VIP, Business, Economy. Die zweistündige Fahrt über 300 Kilometer kostet nur 10 Euro. Dabei werden jedem Reisenden noch ein Imbiss und ein Kaffee/Tee kostenlos gereicht. Bei solchen Tarifen und kurzen Reisezeiten ist jeder Platz belegt, zumal nur je zwei Züge vormittags und nachmittags fahren. Rechtzeitige Reservierung ist ein Muss!
Mit dem Afrosyb für 10 Euro und mit bis zu 230 km/h durch die Wüste – von Taschkent über Samarkand nach Buchara
Auf die Minute pünktlich erreicht der Afrosyb Samarkand. Die Stadt, einst das kulturelle, wissenschaftliche und politische Zentrum Asiens, ist heute UNESCO-Weltkulturerbe. Sie erlebte ihre Blütezeit um 1370. Hier schlug das Herz der Seidenstraße. Hier traf sich die östliche und die westliche Welt. Hier kreuzten sich die Wege aus Indien und China nach Europa. Deshalb trug Samarkand auch den Beinamen „Spiegel der Welt“.
Alexander der Große und Dschingis Khan kämpften einst um Samarkand. Der Herrscher Amir Timur machte Samarkand im 14. Jahrhundert zur Hauptstadt seines mächtigen Reiches. Es erstreckte sich von Persien über die Mongolei, Zentralasien und den Osten Chinas bis in den Norden Indiens.
Und dann stehen wir also am Registan in Samarkand, Höhepunkt der gesamten Reise. Wir sind wirklich überwältigt! Kisch hatte Recht: Die Schönheit dieses Platzes ist weltweit unerreicht. Drei sagenhafte Bauwerke im Halbkreis. In etwa so, als würden Notre Dame in Paris, Petersdom in Rom und Hagia Sophia in Istanbul gemeinsam an einem Platz stehen. Kein Zweifel: Der Registan ist der schönste Platz der Welt!
Ob Tag oder Nacht, zum Registan zieht es viele Besucher Samarkands gleich mehrfach
Drei mächtige Medressen, ehemalige Koranschulen, stehen hier im Halbkreis. Ein Ort wie aus 1.001 Nacht, der Geschichte von Jahrhunderten widerspiegelt.
Samarkand ist orientalisch, russisch, indisch, chinesisch und westlich. Ein buntes Menschen- und Sprachengewirr empfängt uns überall in der Stadt. Vor der Stadt ist in nur drei Jahren (2019 bis 2021) eine komplette Neu-Stadt entstanden, Neu-Samarkand oder die „Ewige Stadt“. Schon jetzt arbeiten 10.000 Menschen hier. Jährlich finden rund 30 hochkarätige Fachtagungen mit Gästen aus aller Welt statt.
Blau-weiß-gold: die Nekropole Schachi-Zinda in Samarkand beeindruckt wie Hunderte anderer Bauwerke in Usbekistan
Mittags essen wir wieder usbekisch – am Tisch der langen Beine. Das sind große Familientische. Man zieht die Schuhe aus, nimmt auf einer rund um einen riesigen Holztisch verlaufenden Bank Platz und streckt die Beine von sich. Wirklich gemütlich! Nach dem obligaten fleischlastigen Plov besuchen wir das Observatorium, die überwältigende Bibi-Khanum-Moschee, die Nekropole Schachi-Zinda (Details im Reiseführer).
Abends aber zieht es uns abermals zum Registan. Diesmal ein ganz anderes Bild: Die Gebäude sind in wechselndes Licht getaucht, musikuntermalt. Wir können uns kaum satt sehen.
Im Hotel dann der Schreck: Zuerst zittert der Spiegel. Sekunden später wackelt die Tür. Schließlich das gesamte Zimmer. 90 Sekunden sind lang. Kein Zweifel: ein Erdbeben. Wer so etwas erstmals erlebt, ist verunsichert. War’s das jetzt? Oder war das nur ein Vorbote eines stärkeren Bebens? In der Hotellobby wird diskutiert, während die Kronenleuchter über unseren Köpfen noch schwanken. Die Nacht bleibt ruhig, auch wenn wir innerlich unruhig sind. Auf solche Erfahrungen verzichtet man gern.
Erst wackelt der Badspiegel, dann die Zimmertür, am Ende das gesamte Hotel: ein Erdbeben erstmals zu erleben, hat etwas Unheimliches. War's das jetzt? Oder war das nur ein Vorbeben? Das Epizentrum des Erdbebens vom 21. März 2023 lag in Pakistan, die Stärke betrug 7, meldet nur Minuten später das Internet. In Samarkand waren die Erdstöße noch sehr deutlich zu spüren
Ochsen und Fahrräder auf der Autobahn
Zwei Tage später besteigen wir wieder den Afrosyb, weiter nach Buchara. Die Stadt ist 2.500 bis 3.000 Jahre alt, exakt weiß es niemand. Hier gibt es 400(!) architektonische Denkmäler. 1993 wurde ganz Buchara Weltkulturerbe. Wahrzeichen ist der Poi-Kalom-Komplex mit seinem 1127 errichteten Minarett. Es überragt die Altstadt. Dazu gibt es unzählige Moscheen, Mausoleen, Zitadellen, die Sommer- und Winterresidenz des Emir (Details im Reiseführer).
Die Rückfahrt im Kleinbus ins 600 km entfernte Taschkent am nächsten Tag ist mit 10 Stunden im Vergleich zum Schnellzug langwierig. Allerdings auf ihre Art auch interessant. Auf der Autobahn sind oft maximal 70 km/h erlaubt, Lkw und Pkw teilen sich die Fahrbahn mit Ochsenkarren und Fahrrädern. Dafür ist die Rasthof- und WC-Dichte sehr hoch, ebenso die Zahl der Blitzer. Ohne Radarwarner ist hier niemand unterwegs! Nachts 1 Uhr kommen wir nach Taschkent zurück.
Ochsenkarren, Fahrräder und maximal 70 km/h auf der Autobahn Buchara–Taschkent
Der Rückflug mit dem modernen Airbus der Uzbekistan Airlines steht bevor. Fazit: 8 Tage sind eher knapp, um die Vielfalt des Landes zu entdecken. Usbekistan ist ein islamisches „Musterland“: sehr sicher, kaum Kriminalität, penibel sauber, gastfreundliche Einwohner, auf Besucher gut eingerichtet, nicht streng religiös oder gar fanatisch. „Jeder nach seiner Fasson“ lautet das Lebensmotto.
Wenn man bedenkt, dass man bei den stark gestiegenen innereuropäischen Flugpreisen für 500 Euro nach Mallorca oder - ebenfalls visafrei - fürs gleiche Geld nach Taschkent, Samarkand, Buchara fliegen kann, ist meine Entscheidung klar. (März 2023/November 2024)
Wer gleich nach Kirgistan und/oder Kasachstan weiterreisen möchte, hier:
https://www.reiseblick.net/kirgistan-kasachstan
Informationen Usbekistan:
Anreise: von Deutschland über Istanbul nach Taschkent (9 Stunden). Alternativ direkt ab Frankfurt nach Taschkent (6,5 Stunden).
Einreise: visafrei bis 30 Tage, Pass erforderlich
Geld: 1 Euro entspricht 13.600 usbekische Som. Bargeld ist King, kleine Dollar- und Euro-Scheine mitnehmen
Gesundheit: Auslands-KV sehr empfehlenswert
Fotografieren: Wer Menschen aufnimmt, sollte vorher um Erlaubnis fragen. Ansonsten kaum Einschränkungen, außer an Grenzen und militärischen Anlagen.
Essen und Trinken: Die Versuchungen der exzellenten Küche mit großen Obst- und Gemüseangebot sind gewaltig. Um Durchfallerkrankungen zu vermeiden, ist besonders in den ersten Tagen etwas Zurückhaltung empfohlen. Ansonsten gilt die alte Regel: "Peel it, boil ist, cook it or forgoet it." Vor großen Restaurants finden sich am Eingang oft Handwaschbecken.
Beste Reisezeit: Wegen der große Sommerhitze März bis Juni oder September bis November
Reiseveranstalter: Inzwischen ist die Auswahl für Reisen nach Zentralasien oder auch nur in einzelne Länder sehr groß. Ein guter Allrounder ist trendtours.
Islamische Bauwerke:
Moschee: Die Moschee war und ist als zentraler Treffpunkt und Ort des Gebetes wichtigstes islamisches Bauwerk. Dank vieler Neubauten in den Jahren seit der Unabhängigkeit findet man heute auch in Usbekistan in jeder Stadt und jedem Dorf wieder Moscheen. In deren massiven Kuppelgebäude bildet die nach Mekka ausgerichtete und Mihrab genannte Gebetsnische den zentrale Bezugspunkt. Sie ist die „Pforte zum Himmel“.
Minarrett: Die meisten Moscheen haben ein oder mehrere Minarette. Diese Turmbauten dienten in der Vergangenheit in erster Linie dem Geistlichen, um die Gläubigen fünfmal täglich zum Gebet (namaz) aufzurufen. Heute übernimmt das moderne Technik.
Medrese: DIe Medrese (madrasa) ist eine muslimische Bildungseinrichtung, häufig auch Koranschule genannt. Sie besteht in der Regel aus einem rechteckigen Innenhof, um den in zwei Stockwerken die Studien- und Wohnräume für die Schüler gruppiert sind. Fenster und Ausgänge gehen ur zum Innenhof. Das Eingangsportal ist häufig sehr prachtvoll.
Mausoleum: Das Mausoluem (maqbara) ist ein besonders prachtvolles Grabmal zum repräsentativen Gedenken an Verstorbene und deren Vermächtnis. Es kombiniert eine Gruft und einen Andachtsraum auf einer oder zwei Etagen.
Dieser Reiseführer war mir ein kompetenter Begleiter:
13. Aufl. 2020, 536 S.
ISBN 978-389794-586-9
Trescher Verlag, Berlin
Bodo und Irina Thöns leben seit Jahren als Deutsche in Usbekistan 500 Seiten, 38 Stadtpläne, 330 Farbfotos, herausnehmbare Faltkarte