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"Auf ein Bier mit dem Markgrafen"

Zwei Städte, zwei Juwelen in Franken: Erlangen und Ansbach haben prächtige Weihnachtsmärkte zu bieten. Aber noch viel mehr: Sie überraschen mit pittoresken im original erhaltenen Altstädten und imposanter Stadtgeschichte.

Das alles gepaart mit modernem Flair und überraschenden kulturellen Inspirationen

Weihnachtsmarkt Ansbach

 

Von Fred Hafner

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Erlangen/Ansbach. Franken gilt als Wiege der Christkindl- bzw. Weihnachtsmärkte. Allein der Nürnberger Markt zieht jährlich Hunderttausende Besucher an. Er ist zu Recht weltberühmt. Aber es ist wie mit dem Münchner Oktoberfest: Irgendwie war jeder schon mal da. Also warum nicht Neues (be-)suchen? Zum Beispiel die Weihnachtsmärkte in Erlangen und Ansbach, nur 20 Kilometer nördlich bzw. 40 Kilometer westlich der „Hauptstadt Frankens“ gelegen. 

Zuvor noch ein paar Zahlen: Der Schaustellerverband geht bundesweit von bis zu 3.000 Weihnachtsmärkten aus. Jedes Jahr pilgern 160 Millionen Besucher auf diese Märkte, das sind dreimal mehr als vor 20 Jahren. Der Umsatz wird auf bis zu 5 Milliarden Euro geschätzt. Früher waren Weihnachtsmärkte vor allem Orte für Handwerker, Kleinkünstler und Chöre, für handgemachte Geschenke, für Schwibbögen. Imbissbuden waren in der Minderheit, heute sind sie dominant.

 

Erlangen überrascht wirklich jeden Besucher. Sie ist eine der besterhaltenen barocken Planstädte Deutschlands. In den symmetrisch angelegten pittoresken Gässchen der Altstadt gibt es vielfältige kulturelle Inspirationen, dazu außergewöhnliche inhabergeführte Geschäfte und Hotels. Und obwohl Erlangen mit 117.000 Einwohnern zu den Großstädten zählt – verlaufen kann sich hier niemand.

Der Klassiker ist natürlich die Stadtführung „Erlangen – die Hugenottenstadt“. Rückblick: 1685 widerrief Ludwig IV das Edikt von Nantes, welches den Hugenotten seit 1598 Glaubensfreiheit gewährte. Dieser Widerruf löste eine für damalige Zeit gigantische Flüchtlingswelle aus: Etwa 180.000 Hugenotten ließen sich anderem auch in einigen deutschen Fürstentümern wie in Erlangen nieder. Markgraf Christian Ernst bot den Flüchtlingen aus Frankreich das Recht auf Ansiedlung. Damit wollte er das Fürstentum, das noch unter den Folgen des 30jährigen Krieges litt, wirtschaftlich voranbringen. Der Plan ging auf: Südlich der Altstadt Erlangens gründeten die ankommenden Hugenotten eine sogenannte Neustadt. Sie lag an einer der wichtigsten Handels- und Fernstraßen, der Handel florierte  schnell.

 

Heute ist Erlangen je nach Betrachtung: Hugenotten-, Barock-, Siemens-, Universitäts- oder auch Bierstadt. Vor allem aber ist sie inzwischen eine renommierte und prosperierende Großstadt. Drei Faktoren sind dafür entscheidend: Erstens, die Universität. Sie macht mit über 30.000 Studenten einen großen Teil der Bevölkerung Erlangens aus. Zweitens, die Siemens AG. Sie hat Erlangen zu einem starken Wirtschaftsstandort gemacht. Das Steuergeld sprudelt seit  Jahrzehnten reichlich in die kommunalen Töpfe. Und drittens die Medizinstadt: Außer Siemens treiben weitere Hightech-Firmen wie etwa das Fraunhofer Institut Innovation und Erfindungsreichtum voran. Erlangen lebt praktisch Forschung. Der wirtschaftliche Boom hat allerdings nicht nur positive Seiten: Weil das Durchschnittseinkommen mit an der Spitze der Kommunen bundesweit und klar vor Nürnberg liegt, sind die Mieten hoch. 

Erlangen Stadttheater
Erlangen Stadttheater Hinter den Kulissen

Blick vor und hinter den Kulissen: Das Markgrafen-Theater in Erlangen wurde 1719 eröffnet. Es ist das älteste noch bespielte Barocktheater Süddeutschlands. Acht bis maximal zehn Schauspieler locken jährlich mehr als 50.000 Besucher zu insgesamt 300 Vorstellungen. Chapeau!

Warum Erlangen eine Barockstadt ist? Mitten im Zentrum befindet sich das Barockensemble mit Markgrafenschloss, Orangerie und Schlossgarten. Die ab 1686 eigens für die Hugenotten erbaute Neustadt gilt als ideale barocke Stadtanlage. Bis heute bildet ihre rechteckige Form mit der Hauptstraße aus Symmetrieachse die Grundordnung der Straßenführung in Erlangen. Unbedingt ansehen sollte man außerdem die Hugenottenkirche, das Palais Stutterheim, den Markt- bzw. Schlossplatz, den Schlossgarten mit dem Hugenottenbrunnen und dem Reiterstandbild, den Botanischen und den Aromagarten, den Wasserturm, die Altstädter oder Dreifaltigkeits-Kirche, das Rathaus, die Strumpwirkerhäuser, den Wasserturm (Details in einschlägigen Reiseführern bzw. auf der Website von Erlangen am Ende des Beitrags).

 

Ein besonderes Highlight der Stadt ist das Markgrafentheater. 1719 eröffnet, ist es das älteste noch bespielte Barocktheater Süddeutschlands. Seine Hufeisenform ist typisch barock, die Ausstattung im Rokoko-Stil. Weil viel Holz verbaut wurde, sind Theater dieser Art häufig abgebrannt. Das in Erlangen zum Glück nicht! 250 bis maximal 400 Zuschauer finden heute noch Platz, 300 Aufführungen gibt es jährlich. „Dazu haben wir einen Theaterbus, der außerhalb Erlangens tourt, sowie noch ein kleines `Theater in der Garage´ mit 62 Plätzen“, berichtet Pressechefin Laura Jacobi. Die Theatermacher sind Vorbild für Deutschland: Erfolgreich gelingt es ihnen mit verschiedensten niederschwelligen Angeboten Zuschauer zu gewinnen – vor allem auch Jüngere, darunter ganze Schulklassen. Acht bis maximal zehn Schauspieler bespielen jährlich 50.000 Besucher - Chapeau!

Erlangen Stadtmuseum Bleistiftanspitzer
Erlangen Stadtmuseum Strumpfwirkerstuhl

In Erlangen wurde der Bleistiftanspitzer erfunden. Das Stadtmuseum beherbergt Hunderte, auch exotische, Exemplare. Technisch anspruchsvoller war der Strumpfwirkerstuhl. In Erlangen steht der älteste erhaltene. Er war mehr als 200 Jahre in Betrieb

Sehenswert ist das Stadtmuseum. Hier ist die gesamte 1000-jährige Stadtgeschichte von ihren Anfängen über das „mittelalterliche Erlang“ bis ins 20. Jahrhundert dokumentiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Barockstadt mit hugenottischen Handwerken und Manufakturen, die Umbrüche im Industriezeitalter bis zur Entwicklung der „Siemensstadt“ heute. In Erlangen gab es bedeutenden Erfindungen, etwa die heute im jedem Haushalt befindlichen Bleistiftanspitzer. Aus Erlangen kamen Belichtungsmesser, MP3-Player und vieles mehr.

Erlangen Bierauswahl
Erlangen Bierauswahl

Die Auswahl an Bieren erscheint grenzenlos. Mehr als 30 Sorten werden etwa in der Brauerei-Gaststätte Steinbach angeboten, allerdings nicht immer zeitgleich

Nach soviel Bildung gehts zum Genuss. Warum Erlangen Bierstadt ist? Hier gab es die höchste Brauereidichte Deutschlands. Im Brauereimuseum Steinach Bräu wird darüber berichtet. Jährlich zu Pfingsten findet die „Erlanger Bergkirchweih“ statt. Das Volksfest ist einmalig in Bayern und sogar weltweit. Es tut dem fränkischen Selbstbewusstsein natürlich auch gut, dass die Erlanger Bergkirchweih ganze 55 Jahre älter ist als das Münchner Oktoberfest! Über zwölf Tage wird auf 14 Bierkellern fränkische Tradition gelebt. Natürlich gibt es den Fassanstich des Stadtoberhauptes, fränkische Köstlichkeiten und den üblichen Budenzauber. Vor allem aber gibt es  nur in Erlangen das sogenannte Fassbegräbnis: Am letzten Tag wird zu den Klängen von Lili Marleen und dem Schwenken von Taschentüchern Abschied von der Bergkirchweih genommen. Ein Muss für alle, die es noch nicht erlebt haben! Die Erlanger Bergkirchweih zieht rund eine Million Besucher jährlich an und verwandelt den Burgberg in eine farbenfrohe Insel.

Erlangen Biermuseum

Mit mehr als 80 Brauereien hatte Erlangen einst die größte Biervielfalt in Deutschland. Heute sind davon immerhin noch drei übrig

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Erlangen Bierverkostung
Erlangen Bierpreise historisch

Verkostungen gibt es bis heute in den zahlreichen Lokalen der Stadt. Die damaligen Bierpreise sind allerdings nur noch lustige Folklore und erinnern an längst vergangene Zeiten

Und wo bleibt da der anfangs erwähnte Weihnachtsmarkt Erlangen? Auch hier schöpft die Stadt aus dem Vollen: Es gibt nicht einen, es gibt gleich drei: den „Altstädter Weihnachtsmarkt“, den „Historischen Weihnachtsmarkt“ sowie die „Waldweihnacht am Schlossplatz“. Spätestens jetzt merkt man: Ein Besuch in Erlangen genügt nicht …

Erlangen Weihnachtsmarkt
Erlangen Eisbahn

Erlangen bietet gleich drei Christkindlmärkte: „Altstädter Weihnachtsmarkt“, "Historischer Weihnachtsmarkt“ sowie die „Waldweihnacht am Schlossplatz“. Eine Eisbahn zum Schlittschuhlaufen ist gleich nebenan

Ansbach liegt nur rund 60 Kilometer von Erlangen entfernt. Beide Städte sind mit der sogenannten Metropolenregion um Nürnberg und Fürth sehr gut auf Straße und Schiene verbunden, einschließlich gemeinsamer Tarife.

Ansbach ist noch älter als Erlangen, wurde bereits 748 gegründet. Gerade feierten die 40.000 Einwohner sowie zahlreiche Gäste die 1.275-Jahr-Feier. Fast alles im Stadtbild ist original erhalten, Kriegszerstörungen gab es so gut wie keine. Warum man gerade Ansbach besuchen sollte? Drei Gründe nennt Stadtführer Alexander Biernoth: „Erstens, das barocke Altstadtensemble stammt noch komplett aus dem Mittelalter. Zweitens, hier gibt es auf Schritt und Tritt reichlich Geschichte zu bestaunen. Und drittens: Wir haben viele innovative Firmen sowie eine Fachhochschule mit 4.000 Studenten in der Stadt.“ 

Ansbach Kaspar Hauser Gaststätte

Kaspar Hauser begegnet jedem Besucher in Ansbach auf Schritt und Tritt: hier eine nach ihm benannte Gaststätte

Ansbach Kaspar Hauser im Stadtmuseum
Ansbach Kaspar Hauser Unterhose

Kaspar Hausers Bekleidung am Tag des Attentats – dazu seine Unterhose, alles im Stadtmuseum: Gut zu erkennen ist der Blutfleck am Bund. An ihm wurden verschiedene Gentests durchgeführt. Das Geheimnis um den "rätselhaften Jüngling" bleibt dennoch weiter ungelöst

Dabei hat Biernoth ein weiteres „großes Zugpferd“ von Ansbach noch gar nicht erwähnt: Kaspar Hauser (1812-1833). War er ein vertauschtes Findelkind und der in Gefangenschaft gehaltene Erbprinz des Hauses Baden? Fest steht jedenfalls zweifelsfrei, dass der rätselhafte Jüngling viele Jahre in Ansbach lebte. Am 14. Dezember 1833 wurde Kaspar Hauser unter dem Vorwand, endlich seine Herkunft und den Namen seiner Mutter zu erfahren, in den Ansbacher Hofgarten gelockt. Dort wartete sein Mörder auf ihn. Mit einem gezielten Stich traf er den 21-Jährigen ins Herz. Drei Tage später, am 17. Dezember 1833 starb Hauser – unter bis heute nicht geklärten Umständen. Im Hofgarten steht heute ein Gedenkstein.

Ob wirklich Attentat oder womöglich doch Selbstverstümmelung – die Theorien sind zahlreich. Sie reichen auch über seine blutgetränkte Unterhose, die im Markgrafenmuseum ebenso wie seine gesamte Bekleidung vom Todestag bis heute unversehrt zu bestaunen ist. Trotz modernster Genforschung – das Rätsel Kaspar Hauser ist bis heute ungelöst. Dennoch: In der Medizin gibt es sogar das „Kaspar-Hauser-Syndrom“. Wer dazu und zur Person Kaspar Hauser mehr erfahren möchte – das Internet ist voll davon.

Ansbach Orangerie

Die Orangerie von Ansbach ist eine der historischen Perlen ganz Frankens. Sie liegt am Rand der Innenstadt und ist einmalig in den markgräflichen Hofgarten eingebettet

Ansbach Hohenzollerresidenz Spiegelsaal
Ansbach Hohenzollerresidenz Festsaal

Die Hohenzollern-Residenz Ansbach hat 27 Prunkräume. Besonders sind der Spiegel- und Porzellansaal sowie das Deckengemälde im Festsaal

Wir begleiten lieber Markgräfin Christiane Charlotte, die im raschelnden Reifrock durch Ansbach führt. Kindgerecht erzählt sie vom Vermächtnis der Hohenzollern, so dass auch dem Nachwuchs in keiner Minute langweilig wird. Eine Stunde dauert die Kostümführung, bei der die Residenz, die Orangerie und der Hofgarten zu beeindruckenden Schauplätzen der Ansbacher Geschichte werden. 

Die Hohenzollern-Residenz Ansbach entwickelte sich aus einer mittelalterlichen Anlage. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstand die Gotische Halle mit ihrem Kreuzrippengewölbe. Hier ist heute die größte Sammlung von Fayencen und Porzellan aus der ehemaligen Ansbacher Manufaktur ausgestellt.

Das Hauptgeschoss der Residenz Ansbach umfasst drei Raumfluchten mit insgesamt 27 Prunkräumen: das Appartement des Markgrafen, das der Markgräfin und das Gästeappartement. Besonders sehenswert sind das Deckenfresko im Festsaal (wird noch bis 2025 renoviert!), die Gemäldegalerie sowie die Sammlung Meißner Porzellane im Spiegelkabinett. Der Hofgarten von Ansbach ist bereits Anfang des 16. Jahrhunderts erwähnt. Zwischen 1723 und 1750 wurde er zu einem Barockgarten ausgebaut. Die bunte Blumenvielfalt und über 150 Kübelpflanzen, darunter Zitronen-, Oliven-, Pistazien- und Granatapfelbäume, lassen den Stil des 17. und 18. Jahrhunderts wieder aufleben. 

Ansbach Skulpturen

Skulpturen finden sich überall im Stadtbild, es gibt sogar einen eigenen "Skulpturen-Rundgang in Ansbach. Selbst wenn die Stadt eher beschaulich wirkt, Graffiti findet sich hier auch: Aber nur "lieb gemeinte"

Ansbach Liebes-Briefkasten

Ansbach ist so reich an Skulpturen, dass die Stadtvermarkter nur hier einen eigenen Skulpturen-Rundgang ins Leben gerufen haben. Über Bahnhofs-, Karls- und Schlossplatz geht es unter anderem zum Hofgarten, zur Residenzstraße, weiter über die Reitbahn zum Martin-Luther-Platz, den „Zumach-Gärtchen“, zur Stadtmauer, zum Hernieder Tor und zur Brücke „An der Riviera“. Am Ende wird man 48 Skulpturen besichtigt haben, das gibt es so kein zweites Mal in Deutschland.

Ansbach Weihnachtsmarkt
Ansbach Handwerkerkrippe

Der Weihnachtsmarkt in Ansbach. Besonders ist die dazugehörige Handwerkerkrippe im Markgrafenmuseum

Ansbach punktet aber auch mit jeder Menge Feste im Jahresverlauf: Rokoko-Festspiele, Ansbacher Bachwoche, Kaspar-Hauser-Festspiele, Ansbacher Altstadtfest, Ansbacher open, Literaturfeste und viele mehr locken jährlich Zehntausende Besucher in die Stadt. Insgesamt bringt es Ansbach auf ca. 100.000 Übernachtungen jährlich, in Erlangen sind es 500.000! Aber dorthin zieht es durch Siemens und andere Firmen auch viele Geschäftsreisende. Ansbachs Nächtigungen werden fast ausschließlich von Touristen gebucht.

 

Eine Region, zwei Städte: Erlangen und Ansbach sind sehr unterschiedlich, haben aber beide großes Potenzial für mehr als ein Besuchswochenende. (2023)

Anreise:

Auto: A9 nach Erlangen, A6 nach Ansbach

ICE bis Nürnberg, dann Regionalzug

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Infos:

www.frankentourismus.de

https://www.erlangen.info/

www.ansbach.de

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